Richie Beirach European Quartett & Sirius Quartet bei den Int. Theaterhaus Jazztagen 2022
Richie Beirach European Quartett:
Richie Beirach – piano
Gregor Hübner – violin
Veit Hübner – bass
Michael Kersting – drums
Sirius Quartet:
Fung Chern Hwei – Violine
Gregor Huebner – Violine
Ron Lawrence – Viola
Jeremy Harman – Cello
Stuttgart, 18.4.2022
Ein vielumjubeltes Septett hebt das Theaterhaus aus den Angeln
Theaterhaus-Chef Werner Schretzmaier, diesmal unmaskiert, steht die Freude ins Gesicht geschrieben, als er Richie Beirach mit dem European Quartet & Sirius Quartet ankündigt. Wer bereits mit Stan Getz, Lee Konitz, John Abbercrombie und Freddie Hubbard gearbeitet hat, kann ja kein Schlechter sein. Bei allen Vorschusslorbeeren, lässt Schretzmeier weitere Begleiter, wie Chet Baker, Dave Liebman, Randy Brecker oder Charlie Mariano unerwähnt. Die Namensliste der Granden des Jazz ist einfach zu lang. Warum sich Beirach allerdings für den schwäbischen Violinisten Gregor Hübner entschieden hat, beantwortet dieser im Laufe des Abends selbst. Seit rund 20 Jahren ist das „sein“ Geiger, den er liebevoll „my younger brother“ nennt. Der Fidel -Tausendsassa spielt längst in der Liga eines Jean-Luc Ponty, Stephane Grappelli oder Didier Lockwood und demonstriert, zusammen mit seinem Kontrabass-Bruder Veit, der das Septett auch am heutigen Abend unterstützt, in welcher Bandbreite von Stilistiken er unterwegs ist. Beirach wünschte sich für den Ostermontag, quasi als Vorgeburtstagsgeschenk (75 im Mai), dass auch das New Yorker Sirius Quartet mit von der Partie sein sollte. Dieses Ensemble, in dem G. Hübner ebenfalls Mitglied ist, flog eigens für diesen Tag über den Großen Teich. Michael Kersting an den Drums war die ideale Ergänzung für die groovende Performance, die die Besucher auf die Ohren bekommen sollte.
Streichquartett mit Jazz-Düftchen
Mit einer John Coltrane Nummer geht es als European Quartet gleich in die Vollen. Mit lächelnder Leichtigkeit bearbeitet Beirach seine 88 Tasten und G. Hübner scheint seine Violine fast zu zersägen, so ekstatisch geht er ans Werk. Dann stellt sich die Rhythmus Section (Bass/Drums) im Call/Response Stil vor. Wie sollte dieser fulminante Auftakt noch getoppt werden?
Szenenwechsel: Bass und Schlagzeug verlassen die Bühne. Die Stunde des Streichquartetts hat geschlagen. Was sehr klassisch beginnt, bekommt nach und nach ein Jazz-Düftchen verliehen. Die wunderschön dynamischen Streicher-Steilpässe nimmt Beirach schließlich auf und macht deutlich, dass er auch auf seine großartige Klassikausbildung bauen kann. Im Anschluss freut er sich über die „wonderful audience“, das auch für derartige Genres offen ist; nicht ohne zu erklären, dass Beethoven, Liszt und Mozart auch große Improvisatoren waren. Seine Forderung: „Put improvisation back into classical music!“. Die beiden Violinisten Fung Chern Hwei und Gregor Hübner legen dann mit einer Hübner-Komposition im Stile eines „Flight Of The Bumblebee“ los, das mit seinen ungewöhnlichen Intervallen und Streichtechniken an Neue Musik erinnert. Chatschaturjan, der renommierteste armenische Komponist des 20. Jahrhunderts, bereitet schließlich den Weg in einen kraftvollen Bass/Piano-Swing, mit ersten Andeutungen, warum auch Veit, Gregors jüngerer Bruder, ein überragender Meister seines Faches ist.
Musikalischer Salto Mortale
Doch zunächst ein stimmungsvolles „Spring Is Here“, eine der Glanznummern Beirachs, passend zur Jahreszeit. Gefolgt von einem überragenden einleitenden Bass-Solo für Billy Holidays „We Don’t Know What Love Is“, das vom Bruderherz violinistisch, unter die Haut gehend, in Szene gesetzt wird. Der doppelte Beirach mit „Elm“ und „Pendulum“ gerät zum musikalischen Salto Mortale, bei dem auch Sirius wieder mit von der Partie ist. Dieses Mal, wenn sie erst einmal losgelassen, verlassen sie die klassischen Pfade komplett; sehr zur Freude aller Akteure und Besucher. Gegenseitig spielt man sich die Bälle zu und es jazzt aus allen Poren. Begeisterung allenthalben! Die unumgängliche Zugabe hat Gregor extra für den heutigen Abend geschrieben. Ein neu bearbeiteter Folksong aus Russland/Ukraine führt zurück in die bittere Realität des aktuellen Krieges. Das streicherbetonte Wehklagen geht jedoch bald in einen Hoffnungsgroove über und noch einmal ein Beirach-Solo vom Feinsten!
Bernd Epple
Portraits von Richie Beirach
Portraits von Gregor Hübner
Portrait von Veit Hübner
Portraits von Michael Kersting