Interview mit Gee Hye Lee
Gee Hye Lee mit ihrem Quartet bei den Jazz- und Klassiktagen Tübingen
Ziemlich genau vor einem Jahr warst Du mit deinem Trio zu Gast im Bechstein Centrum hier in Tübingen. Jetzt beim Eröffnungskonzert der Jazz- und Klassiktage seid Ihr zu viert; heißt das auch mit anderer, neuer Musik?
Wir haben eine wunderbare Sängerin – besser Vokalistin – gefunden. Das heißt, eigentlich kannte ich sie schon länger und wollt schon immer mal mit ihr zusammen Musik machen. Jetzt haben wir eine Förderung bekommen und konnten eine CD machen. Wir haben neue Stücke geschrieben, eine CD Platte aufgenommen, und die haben wir jetzt, am 30. September, in Südkorea veröffentlicht. In Deutschland wird sie im Februar 2023 rauskommen.
Wenn man Musik komponiert, schreibt und arrangiert für eine Besetzung mit Gesang, ist das doch sicher was ganz anderes wie für ein reines Instrumental – Trio?
….jein…ich hab deswegen auch Vokalistin gesagt. Denn mit einer Vokalistin wie Song Yi Jeon ist es so, dass sie ja nicht nur eine Sängerin ist. Sie komponiert, sie arrangiert, sie improvisiert. Also für mich ist sie eine Instrumentalistin. Deshalb war`s für mich nicht so anders mit anderen Instrumentalist*innen.
Hören wir dann wenige Worte, wenig Text auf dem neuen Album, in den neuen Stücken?
Es gibt schon auch Texte. Da gibt es ein Quot von Father Alfred d`Souza. Das hat mir immer geholfen, in schwierigen Zeiten, und ich fand es auch immer so positiv. Und dann ein koreanisches Kinderlied, das hat auch einen Text.
Du selbst und die Vokalistin Song Yi Jeon, ihr seid beide aus Südkorea. Wie habt Ihr Euch getroffen?
Wir kennen uns aus Stuttgart, von der Jazzpreis – Verleihung. Genau vor 10 Jahren gab`s ein Preisverleihungs – Konzert im Theaterhaus, und ich durfte da mit meiner Band spielen. Und Sandi Kuhn, der Saxofonist hat da mit seiner Band gespielt. Und da hat eben auch Song Yi mitgesungen oder mitgespielt, mit ihrer Stimme. Ich hab sie gehört und wollte unbedingt mit ihr zusammen was machen. Ich hab` sie also nicht ‚ausgewählt‘ weil sie meine ‚Landsfrau‘ ist, das ist tatsächlich ein Zufall.
Trotzdem nochmal die Nachfrage: Immerhin war ja auch die CD – Vorstellung in Seoul, also: wie ist Eure Beziehung zu Eurer Heimat?
…(nachdenklich)…ich sag mal so: Je älter ich werde, desto mehr vermiss ich meine Heimat, das ist ganz klar… und es stimmt, wo du fragts, wir haben auch ein Stück aufgenommen, das ist ein koreanisches Traditional, das hat Song Yi arrangiert, dann das koreanische Kinderlied. Und ich habe auch einen Song geschrieben über Seoul, also meine Heimatstadt – Seoul my Soul heißt er, weil ich meine Stadt in der Corona Zeit sehr vermisst habe. Jetzt, wo du`s sagst, wird mir klar, dass die Musik doch sehr viel mit meiner Heimat zu tun hat.
Welche musikalischen Einflüsse waren denn prägend für Dich?
Mit der europäischen Musik fing es an, also mit der Klassik. Dann bin ich auf amerikanische Musik, also Jazz umgestiegen; aber Jazz ist ja eigentlich international. Oder besser: Musik überhaupt ist international. Eine internationale Sprache, die jeder versteht.
Steht jetzt eine gemeinsame Tour an, dein Trio, zusammen mit Song Yi Jeon?
Im Januar gibt es einige Konzerte zusammen. Natürlich würden wir gerne nach der CD – Veröffentlichung eine große Tournee machen. Aber im Moment sind ja die Programme überall voll, auch weil überall die abgesagten Konzerte nachgeholt werden. Aber so ist es eben. Aber, wie gesagt, ein paar Termine im Januar gibt es, und wir freu`n uns darauf.
Jetzt noch eine Frage zum Musik – machen in dieser Zeit. Krieg, Corona usw… beeinflusst Dich / Euch das?
Auf jeden Fall! Die Song Yi hat ja zum Beispiel jetzt im März und April, als wir an der neuen CD gearbeitet haben, einen Song geschrieben, der heißt Dance for Peace. Den stellen wir heute Abend auch vor. Ich selbst beschäftige mich sehr viel mit Politik, und man diese Situation einfach nicht ignorieren, das beeinflusst uns auf jeden Fall – beim Spielen……
Ehrlich gesagt war ich jetzt lange zuhause und ich habe von vielen (Kolleg*innen) gehört, dass viele Menschen wegen Inflation, Gaspreiserhöhung usw sich nicht mehr trauen, Geld für Kunst auszugeben. Ich selbst habe das bis jetzt noch nicht gespürt, wir werden es sehen.
Eigentlich soll ja die Kunst Hoffnung geben und Kraft. Und nicht anders rum. Es gibt viele Menschen, die sagen: Musik ist mein Leben. Bei mir selbst ? – Musik kann einem helfen, kann positiv unterstützen. Ich werde auch oft von Musik getröstet oder sie hat mich wieder motiviert….und deswegen ist Musik ….je, doch: mein Leben! Doch!!!
Das Interview mit Gee Hye Lee führte Tom Hagenauer
Portraits von Gee Hye Lee