jazzahead! 2023: Commissioned Works als Highlights
Bremen, 9.2.2023
„Herausforderung und Chance“ bei der jazzahead!
Die Bandleader Heinrich von Kalnein, Daniel Erdmann und Felix Schlarmann zu ihren Projekten
Die Commissioned Works nehmen immer klarere Konturen an: Nicht nur, dass es in New York bereits ein exklusives Konzert von Ingrid Laubrocks neuer Gruppierung „Lilith“ gegeben hat, auch in Frankreich, Österreich und den Niederlanden sind die Bands schon so weit, dass demnächst Vorabkonzerte gegeben werden können.
Die Bandprojekte gelten als Highlights der diesjährigen jazzahead! 2023, die vom 27. bis zum 30. April auf dem Gelände der MESSE BREMEN stattfinden. Da in diesem Jahr Deutschland das Partnerland ist, wurden Musiker:innen ausgewählt, die in den Nachbarländern Österreich, Frankreich und den Niederlanden sowie in den USA eigens für die jazzahead! Bandprojekte ins Leben riefen, die auch über die Messe und das Festival hinaus Bestand haben sollen.
Die vom Saxofonisten und Flötisten Heinrich von Kalnein und dem Trompeter Jakob Helling (auch Flügelhorn) als Kalnein-Helling Unit zusammengestellte deutsch-österreichische Formation trägt den Projekt-Titel „Alpine Air“. Neben den beiden Bandleadern sind Theresia Philipp (Saxofon, Klarinette), Alois Eberl (Posaune), Hanno Busch (Gitarre), Sebastian Scobel (Piano), Gina Schwarz (Bass) und Reini Schmölzer (Schlagzeug) dabei. Heinrich von Kalnein hat dabei bewusst den Weg einer Doppelspitze gewählt.
„Viele herausragende Musiker aus beiden Ländern sind der Initiative gerne gefolgt und haben sich zu einer farbenreichen achtköpfigen Band vereint“, so von Kalnein. Über den Entstehungsprozess berichtet der Musiker: „Als die Einladung für diese Commissioned Work kam, wussten Jakob Helling und ich noch nicht, welche Gestalt dieses Ensemble haben könnte. Wir beide sind ja musikalisch ziemlich aktiv; Jakob mit seiner Bigband – ich selbst derzeit mit meinem wunderbaren Trio mit der österreichischen Bassistin Gina Schwarz und Drummer Ramón López und vielen anderen Projekten. Es war also klar, dass wir uns selbst keine Konkurrenz machen und dennoch die Gunst der Stunde nutzen wollten. So wurde es nach vielen gemeinsamen Spaziergängen, Telefonaten und Gesprächen ein Oktett, dessen Besetzung alleine schon unser beider Herzen höherschlagen ließ.“ Einige der profiliertesten Spieler:innen der deutschen und österreichischen Szene seien dabei, so von Kalnein weiter: „Und unser erster Probeblock im Jänner in Wien offenbarte uns beiden auch, dass wir uns nicht getäuscht hatten. Was für eine großartige Band! Wir werden sehen, wo uns das auch nach unserem Auftritt auf der diesjährigen jazzahead! hintreiben wird.“
Vor der Festivaleröffnung der jazzahead! wird es am 24. April 2023 im Tube’s in Heinrich von Kalneins Heimatstadt Graz ein Vorab-Konzert geben.
Bandleader für Frankreich ist mit Daniel Erdmann ebenfalls ein Saxofonist. Seine Formation, der neben ihm im Einzelnen Hélène Duret (Klarinette), Théo Ceccaldi (Geige), Vincent Courtois (Cello), Robert Lucaciu (Kontrabass) und Eva Klesse (Schlagzeug) angehören, trägt den Namen „Thérapie de Couple“. „Die Rede ist natürlich vom Paar Deutschland-Frankreich, dem Motor Europas, der ab und zu in eine Krise gerät und daher immer therapiebedürftig ist“, so Erdmann schmunzelnd. Der Bandleader kennt beide Seiten sehr gut, teilt seit über 20 Jahren seine Aktivitäten zwischen Frankreich und Deutschland auf.
Deutsch-Französische und europäische Projekte im Allgemeinen sind das Herzstück seiner Arbeit, in der er von Anfang an von Philippe Ochem und dem Jazzdor Festival unterstützt wird. „Es ist ein großes Glück für mich, diesen Auftrag der jazzahead! bekommen zu haben“, sagt Erdmann, „eine neue deutsch-französische Band zu gründen, um unserem in die Jahre gekommenen Paar musikalische Therapiemöglichkeiten anzubieten.“ In den letzten Jahren bevorzugte Daniel Erdmann eher kleine Formationen, nun nimmt er mit großer Vorfreude die Herausforderung einer größeren Besetzung an. Die Wahl der Musiker:innen wurde dabei durch die Klangvorstellung für diese neue Gruppe bestimmt: „Wir wollten einen eher orchestralen Klang, mit einem Mix aus Streichern und Holzbläsern in mittleren und tiefen Registern“, so Erdmann. „Dazu eine samtene und stabile rhythmischer Basis. Mit dieser Besetzung kann kompositorisch auf vielfältige Weise gearbeitet werden.“ Zum Glück hätten alle angefragten Musiker:innen sofort zugesagt, so Erdmann. Generell sagt er über dieses Projekt: „Eine völlig neue Band zu schaffen in relativ kurzer Zeit, sich einen Bandsound vorzustellen, dazu die MusikerInnen finden, die zumindest einen Teil der Szene zweier Länder repräsentieren, das ist Herausforderung und Chance zugleich.“
Vor der jazzahead! ist die Band bereits am 20. April 2023 in Reims zu hören.
Die Ausgangsidee sei gewesen, für jedes Instrument ein Stück zu schreiben, wo dieses im Mittelpunkt steht, so der Bandleader weiter: „Aber insbesondere mit den Zusagen der Musiker:innen und deren musikalischer Haltung kamen neue Kompositionsideen hinzu, und andere wurden wieder verworfen.“ Work in Progress im besten Sinne! Das gilt für alle neu geschaffenen Bands, auch für „Tree House“, das deutsch-niederländische Projekt von Felix Schlarmann. Der in Amsterdam lebende Schlagzeuger Felix Schlarmann ist tief verwurzelt in der niederländischen Jazz-Szene – schon seit fast zwanzig Jahren ist das Nachbarland seine neue Heimat. „Ich habe mich riesig darüber gefreut, dass ich auserkoren wurde“, sagt Schlarmann, „das hat sich auch sehr gut getroffen – ich hatte ohnehin den Wunsch, ein solches Projekt zu realisieren und bin sehr happy, dass es jetzt mit der größeren Besetzung geklappt hat.“
Schlarmann, der am Königlichen Konservatorium von Den Haag lehrt, hat mit seinen verschiedenen Tätigkeiten in den Niederlanden schon immer gerne Musiker:innen aus verschiedenen Richtungen und Generationen zusammen gebracht – genau das ist jetzt auch mit „Tree House“ der Fall. Zusammengestellt hat er eine Gruppe von Musikern, die die abwechslungsreiche und internationale Jazzszene der Niederlande widerspiegelt, daneben aber auch eine kollektive Zusammenarbeit verschiedener Generationen zum Ziel hat. Konkret sind neben Schlarmann Ben van Gelder (Altsaxophon), Mete Erker (Tenorsaxophon), Līva Dumpe (Stimme), Olivier van Niekerk (Gitarre), Franz von Chossy (Klavier) und Pat Cleaver (Bass) mit dabei. Er habe sich beim Zusammenstellen der Band eher wie ein Kurator wie ein Bandleader gefühlt: „Alle sind nicht nur an ihren Instrumenten großartig“, sagt Schlarmann, „sondern auch kompositorisch – und diese Gruppe soll genau das auch widerspiegeln.“
Denn im Zentrum dieses Projekts steht der kollektive Prozess, sowohl beim Erarbeiten des Repertoires als auch beim „Finden“ des allgemeinen Bandsounds. „Der Ausgangspunkt ist der Klang der Gruppe“, sagt der Bandleader. Daher auch der Bandname: „Unser Tree House ist tatsächlich ein Baumhaus, ein Projekt, das schon wegen seiner Besetzung eine Herausforderung und zugleich Inspiration ist. Wir erschaffen Musik, die durch die verschiedenen musikalischen Persönlichkeiten wie die Verästelungen eines Baumes wirkt, mit vielen Klangfarben.“
Vorab zu erleben ist Felix Schlarmann’s Tree House am 6. April 2023 im Splendor in Amsterdam.
Weitere Informationen zur jazzahead! unter www.jazzahead.de