Peter Bernstein Quartet im Jazzclub Bix Stuttgart 2024

Peter Bernstein (git)
Sullivan Fortner (p)
Doug Weiss (b)
Joe Farnsworth (d)

Stuttgart, 27.9.2024

Der unerbittliche groovende Jazzgenuss und die karierten Socken

Er ist ein Jazzgitarren-Maestro  in der Jazzszene und gilt seit über 30 Jahren als Garant für melodiösen und swingenden Jazz allererste Güte. Seit 1989 ist Peter Bernstein Teil der New Yorker Jazzszene und ist auf mehr als 200 Aufnahmen mit Musikern aller Generationen zu hören. Als er während seines Musik Studiums Gitarrenlegende Jim Hall traf und dieser ihn bat an seinem Konzert im Rahmen des JVC Jazz Festivals teilzunehmen, war der Weg geebnet in die amerikanische Jazzszene. Im Laufe der Jahre entstand eine enge musikalische Verbindung zu dem Organisten Larry Golding und dem Schlagzeuger Bill Stewart. Dieses Trio nahm zusammen fast ein Dutzend Alben auf und wurde seiner Zeit von der New York Times als „bestes Orgeltrio des Jahrzehnts“ bezeichnet. Er war Mitglied in der Band von Joshua Redman und von 1999 bis 2001 als Gitarrist im Diana Krall Quartett engagiert. Unzählige Jazzgrößen wie Sonny Rollins, Etta James, Klaus Doldinger oder Lee Konitz sind in seiner Vita verzeichnet.

Eine hochdekorierte Band die Legenden begleitet

Seine Crew an diesem Abend reiht sich qualitativ ebenso wir Bernstein auf höchster Stufe in die aktuelle Jazzszene ein. Der vergleichsweise junge Pianist Sullivan Fortner hat in den letzten Jahren mit seinem kreativen und furiosen Spiel Kritiker und Publikum gleichermaßen begeistert, was an diesem Abend, nach anfänglicher Zurückhaltung, auch wieder geschah. Der mit einem Grammy Award und mit mehreren DownBeat Critics Poll ausgezeichnete Fortner brillierte mit seiner individuellen Klasse besonders im zweiten Teil des Abends. An der Vielseitigkeit seiner Darbietung war klar erkennbar, das er in den letzten zehn Jahren mit verschiedensten Künstler diverser Genres zusammenarbeitete, darunter illustre Namen wie Wynton Marsalis, Paul Simon, Diane Reeves, John Scofield, Roy Hargrove oder Dee Dee Bridgewater. Ebenfalls mit der Crème de la Créme ist Bassist Doug Weiss aufgetreten. Er gilt als einer der gefragtesten Jazz-Bassisten unserer Zeit und teilte die Bühne mit Jazzlegenden wie George Coleman, Eddie Henserson, Toshiko Akiyoshi oder mit der Sängerin Lizz Wright. Am sehr schlichten Drumset betätigte sich an diesem Abend kein geringerer als Joe Farnsworth, einer der führenden amerikanischen Jazzschlagzeuger im Bereich des Bebop. Auch er hat renommierte Namen wie Ron Carter, Pharao Sanders oder Jon Hendricks in seiner musikalischen Vita.

Variabilität, Schlichtheit und karierte Socken

Der Abend begann mit smoothigen Groove, handgemachter swingender Jazz ohne technische, elektrische Verfremdungen, der das Publikum den ganzen Konzertabend bei Laune hielt. Manchmal wünschte man sich etwas mehr Variabilität im Style eines Pat Metheney herbei, aber die sanfte Melodik eines elegant wiegenden Pulses legte den Grundstein für einen qualitativ hochkaratigen Jazzabend. Apropos Variabilität, was Drummer Joe Farnsworth an diesem Abend, an seinem aufs Wesentliche reduzierte Schlagzeug ablieferte, war an technischer Finesse kaum zu überbieten. So elegant wie sein Anzug mit dem Einstecktuch, so elegant war sein Spiel, so ausgeflippt wie das Muster seiner Socken, so einfallsreich und unvergleichlich waren seine fulminanten Solos, die das Publikum wiederholt zu intensiven Beifallskundgebungen hinriss. Doug Weiss ordnet sich mit seinem feinen Spiel am Kontrabass nahtlos in das musikalisch Konstrukt ein, bleibt aber gegenüber seinen Mitstreitern etwas blass. Nun ja, diese zwei Stunden zwischen Mainstream und Modern Jazz sind natürlich eine Sache für Genießer, für die entspannte Schönheit dieser Kompositionen braucht man kein Jazz-Abitur. Es fühlt sich ganz unglaublich gut an, sich mit der Band treiben zu las­sen, sich Stücken wie „Hidden Pockets“, oder „Lullaby For B.“ einfach widerstandslos zu ergeben. Inso­fern ist alles ganz einfach, ja, aber nicht einfach im Sinne von schlicht. Denn hinter den auf makellose Weise vorgetragenen Figuren Bernsteins, in de­nen ab und zu der große Jim Hall herum­geistert, hinter den Querverweisen an Thelonious Monk von Seiten des Pianis­ten, hinter der zärtlichen Lässigkeit der Balladen und dem griffigen Groove etwa von „Jive Coffee“, das eigentlich auf dem Klassiker „Tea For Two“ basiert, steckt jede Menge Raffinesse. Wenn diese Band sich all dieser Komponenten annimmt, fügt sich alles scheinbar völlig problem­los zusammen, einfach so, und man denkt unwillkür­lich, es stamme alles aus einer, nämlich Bern­stein’s Hand.

Die Einheit von vier großen Musikern

Im letzten Teil des Konzerts gewinnt Pianist Fortner immer wieder mit seinem Spiel die Oberhand, erinnert an den großen Bud Powell, dem spontan ein Solostück am Schluss des Abends gewidmet wird, dass von Joe Farnsworth für einen „Bud Powell-Memory-You Tube Clip“ gefilmt wird. Es sind eben vier herausragende musikalische Persönlichkeiten, die zu einer kompakten Einheit verschmelzen, mit transparenten Kompositionen und eigenwilligen Arrangements. An Beispiel diese Quartetts kann man erkennen, dass vier überragende musikalische Individualisten durchaus als harmonisches Kollektiv eine Einheit ergeben können. Es war ein Abend der eher köchelte als kochte, aber mit zauberhaften Klangbearbeitungen anmutigen Nuancen, die Jazzfans ins Wochenende entließ.

Harald Kümmel

Portraits von Peter Bernstein

Portraits von Sullivan Fortner

Portraits von Doug Weiss

Portraits von Joe Farnsworth