Nik Bärtsch’s Ronin im Sudhaus Tübingen 2024

Nik Bärtsch, Komposition; Piano; Fender Rhodes
Sha, Altosax, Bass- & Kontrabass Klarinette
Jeremias Keller, Bass
Kaspar Rast, Drums

Tübingen, 5.10.2024

Präzision, traumhafte Sounds & unbedingt treibend

Bei Nik Bärtsch & Ronin geht es nicht um möglichst schnelle und viele Töne, oder solistische Höchstleistungen. Es geht um die – manchmal sind es zur zwei oder drei – richtigen, eben um die wesentlichen Töne, aus denen ihre Musik, ihre Stücke entstehen.  Um eben diese Töne herum, meistens auf dem Flügel in den Raum entlassen, schält sich eine rhythmische Figur heraus, dann ein Snareknall oder ein über den Besen gewischtes Becken, dazu volltönend und rund der Bass, oder eine heißere Saxofon Phrase. Manchmal fast unmerklich, manchmal auch mit kantigen und schroffen Breaks eingeleitet, nimmt die Band Fahrt auf, hat der Zen – Funk – Flow schon lang begonnen.

Schwarze Bühne, weißer Rauchteppich, effektvoll platzierte Scheinwerfer – das Oktober – Konzert im gut besuchten Sudhaus startet nach einer Piano – Cluster – und Drone – Bass – Sequenz und mündet in einen recht rockigen Opener. Schnelle, hämmernde Piano – Akkorde, immer wieder Einsprengsel und Breaks der drei Mitspieler, und eben keine Soli wie sonst im Jazz üblich. Es sind eher kurze Melodie Partikel, Motiv – Skizzen, Jonglierbälle, die hier hin – und herfliegen, dabei eine gemeinsame Musik entstehen lässt. Die Band schickt das Publikum mit manchmal schier aushaltbarer Spannung und hypnotischen Beats und auf faszinierte Reisen.

In der Musik finden sich Einflüsse aus Minimal Music, Funk – und Rockelemente und viele unterschiedliche Rhythmen und Metren. ‘Zen – Funk’ wird diese Musik manchmal genannt, und wer den konzentriert spielenden kahlköpfigen Bandleaders am Flügel erlebt, der in schwarzer Pluderhose auftritt, sind Assoziationen Richtung Zen – Buddhismus offensichtlich. Tatsächlich war Bärtsch ein halbes Jahr für Studien in Zen – Meditation und Aikido in Japan.

Essenz und Trance

Die Musik von Nik Bärtsch’s Ronin ist aber hier. An diesem Ort und genau jetzt. Weder östlich noch westlich davon. Was die Vier gemeinsam entwickeln und auf der Bühne zu Gehör bringen, das ist ein universeller, manchmal fiebriger und treibender Groove, der bei Musikern und Publikum von Japan über die USA bis Baden – Württemberg oder Zürich eine Menge Energien freisetzt und sich um keine Genregrenzen schert.

Die Titel der Musik tragen keine Namen sondern werden Module genannt und sind nummeriert. Diese Module wurden und werden teilweise über Jahre immer weiterentwickelt, oft auch mit einem Stamm von Musikern, mit denen der Züricher Nik Bärtsch schon seit langem zusammenspielt. Eine Art Nukleus ist dabei der Züricher Club Domicil, in dem – eine Art Ritual – sich Bärtsch und die Ronin – Musiker und immer wieder zusätzliche Künstler seit vielen Jahren immer montags zusammenfinden, Gastmusiker*innen einladen, ihre Musik spielen und weiterführen. Neben dem Bandleader sind Sha (Saxofon und Bassklarinette) und Kaspar Rast (Schlagzeug) schon seit den Anfangsjahren dabei, der Bassist Jeremias Keller spielt seit vor 4 Jahren in der Band.

Keine Solotrips, gemeinsame Musik

Jetzt, Oktober sind sie auf Einladung des Tübinger Veranstalters ‘Jazz im Prinz Karl’ wieder mal in Tübingen. Beim Konzert im Sudhaus in diesem Oktober präsentiert sich die Band in einer freundlichen und zugewandten Stimmung. Man war im Sommer auf Tour, war in den USA und in Japan, jetzt zum Schluss in Süddeutschland.  Die Band ist eingespielt, zwischen Publikum und Musikern ist Vertrautheit zu spüren. Es geht nicht um Egotrips von Solisten bei dieser Band sondern um Reduktion und Trance um Präzision und Wärme. Nik Bärtsch und Ronin jonglieren ständig mit unterschiedlichen Prinzipien und gegensätzlichen Stimmungen. Eine zutiefst ‘gemeinschaftliche’ Musik.  Alle Instrumente werden zu Rhythmusinstrumenten oder zu Melodie- oder Harmonieinstrumenten oder alles gleichzeitig.

Über langgezogenen Saxophonlinien und einen Fuzzbass entwickelt sich brodelnder Groove und verwandelt sich ein drone – artiges fast schon psychedelisches Finale, WOW!!!, nachdem – eigentlich – nichts mehr kommen kann. (Modul 23, wird auf dem aktuellen Album ‘Spin’ erscheinen) Eigentlich, denn vielleicht war das Sudhaus – Konzert vom Oktober 2024 aber ein ganz besonderes Konzert, denn Bärtsch und Ronin kamen noch zwei Mal für Zugaben zurück auf die Bühne. Das passiere nicht oft, meint freundlich der Zeremonienmeister in der Aikidohose und Ronin schenkt uns (Modul 32) einen melodisch – harmonischen, fast meditativen Groove mit dem sich (ohne Ironie) zutiefst erbaut nachhause gehen lässt.

Nachklapp: Trotz beginnendem Herbst und Kälte draußen klingt die Nacht wunderschön nach. An der Haltestelle, an der der Bus auf sich warten lässt, findet sich noch eine zweite Konzertbesucherin ein. Eine Frau, die nicht unbedingt zum Sudhaus – Stammpublikum oder zur Jazzeria gehört. Sie ist bewegt, wirkt still – begeistert. „Jetzt bin ich doch froh, dass ich hergekommen bin“, sagt sie, tief schwäbisch, “… in der Welt isch ja grad soviel in Unordnung. Des war jetzt gut! Des war scho was ganz b’sonderes…“

Tom Hagenauer

Portraits von Nik Bärtsch