The Caribbean Sound of Jazz im Sudhaus Tübingen 2024

Roberto Santamaria (Percussion, Vocal)
Dizzy Krisch (Vibraphon)
Anselm Krisch (Piano)
Oliver Wendt (Saxophon)
Andrey Tatarinets (Bass)
Wieland Braunschweig (Schlagzeug)

Tübingen, 18.10.2024

Roberto & Friends bei den Tübinger Jazz & Klassik Tagen

Roberto Santamaria, in Havanna geboren, lebt seit vielen Jahren in Tübingen. Somit kann man den Neffen des berühmten Perkussionisten Mongo Santamaria getrost als Lokalmatador bezeichnen. Hier fand er auch die kongenialen Musiker, mit denen er das spielen kann, was der Kubaner bereits mit seiner Muttermilch aufgesogen hat und wofür sein Onkel stand: Jazz made in Cuba! Gewiss, die Fußstapfen seines Onkels sind groß, landete dieser doch mit Afro Blue bereits Ende der 50er Jahre einen Jazz-Welthit, der auch zu John Coltranes Repertoire gehörte. Doch wenn man, wie Roberto, in Habana Vieja aufgewachsen ist, sind das schon mal gute Voraussetzungen, sich den Groove einzuverleiben, der durch alle Winkel dieses Altstadtviertels weht. Schon als kleines Kind trommelte er auf allem was Töne von sich gibt. „In dieser Umgebung kannst du der Musik nicht entfliehen“, sagt der „reingeschmeckte“ Tübinger.

Musiker, die das Latin Feeling intus haben

Für den Gig bei den Jazz & Klassik Tagen sammelte er die Musikerfreunde um sich, die er inzwischen jahrelang kennt, denen er vertraut und von denen er weiß, dass sie das Latin Feeling intus haben, auch wenn kein karibisches Blut in ihren Adern fließt. Oliver Wendt an Altsaxophon und Querflöte, Wieland Braunschweiger (Drums), Andrey Tatarinets (E-Bass), und das Father & Son Duo Dizzy Krisch (Vibraphon) und Anselm Krisch (Piano) stehen für Virtuosität und Spielfreude! Und das ist bereits nach wenigen Sekunden des Openers Sadie’s dance zu vernehmen. Ein Hauch Karibik umschmeichelt das Ohr bei diesem frischen Start, bei dem auch Braunschweiger, Tatarinets und Wendt gleich mal ihre Visitenkarte in punkto Komplexität abgeben. Es folgt mit Manteca eine Nummer aus der Feder Dizzy Gillespies, bei der an diesem Abend der „deutsche“ Dizzy seine Schlägel über die Metallplatten seines Vibraphons tanzen lässt. Der Comandante, wie ihn Santamaria ob seines Che Guevara-Käppies nennt, sollte im Verlaufe des Konzertes noch ausgiebig die Möglichkeit bekommen, den Beweis anzutreten, warum er zu den Top-Vibraphonisten der Republik zählt.

Vielleicht komme Weinen in deine Augen

Nach Mambo Mongo begibt sich die Formation in ganz andere musikalische Gefilde: „Vielleicht komme Weinen in deine Augen“, sagt Santamaria, als er Imagine von John Lennon ankündigt und weist auf die Kriegswirren in der Welt hin. Ein flächig harmonisches Vibraphon Intro eröffnet die Ballade, die tatsächlich das Zeug hat, bei aller Lebensfreude, das Leid dieser Welt nicht zu vergessen. Bevor es in die Pause geht, kommt Madiba mit knackigen Unisono-Licks und einer virtuos gespielten Shékere daher, eines der Percussion Instrumente, das Santamarias Rhythmus-Kunst genauso offenbart, wie er es am Conga Set, an den Bongos oder auch an den Bells unter Beweis stellt. Auch Besucher Joachim Staudt, der ebenfalls zu den Granden der Tübinger Jazzszene zählt, freut sich im Pausengespräch mit unserem Magazin an der knisternden Energie, die diese Combo versprüht.

Samba do Brazil nach der Pause

Danach setzen die Herren noch eins drauf. In Runde Zwei frönen sie unter anderem der Samba. Samba do Brazil hat zwar wenig mit Caribbean Jazz zu tun, doch so eng will man das Motto des Abends auch gar nicht fassen. Hauptsache perkussiv und latin! Nach Partido Alto folgt mit Para Chick eine Hommage an einen der ganz Großen, der den Latin Jazz einer großen Hörerschaft noch mehr zugänglich machte: Chick Corea. Santamaria schwärmt von einer Begegnung, die er mit diesem „wunderbaren Pianisten und Menschen“ hatte. Wendt legt für Para Chick sein Sax zur Seite und greift zum Silberrohr, welches er nicht minder gekonnt und passgenau intoniert. Bei den letzten Nummern des Abends Maroni Moreno, Yatra Ta und One for Tom laufenRoberto und seine „Friends“ nochmals zu Hochform auf: Rasenende Unisono Phrasen, Rhythmische Schmankerln von Braunschweiger und Santamaria, filigrane Pianofiguren, kraftvolle Sax-Soli und nicht zuletzt der Vibraphon-Wirbelwind Dizzy mit höchst einfühlsamem Spiel und phantastischen Soli.

Die „Zugabe!“-Rufe aus dem Publikum nimmt Santamaria strahlend auf und gestaltet sie zusammen mit diesem zu einer Spontannummer, an der alle großen Spaß haben. Flor de lis sollte den Abend endgültig beschließen: Alle Musiker in einer perkussiven Samba vereint – Ein gelungenes Finale und ein nicht minder gelungener Karibikabend, der auch Südamerika miteinschloss.

Bernd Epple

Portraits von Dizzy Krisch

Portraits von Anselm Krisch