Cemre Yilmaz Quintett in Weil der Stadt

Cemre Yilmaz Quintett in Weil der Stadt
Cemre Yilmaz

Weil der Stadt, 1.12.2024

Von Ankara über Weil der Stadt zum Ipanema -Strand

Im Weil der Städter Klösterle präsentiert die türkische Sängerin Cemre Yilmaz mit ihrem Quintett einen bunten Jazz-Strauß mit vokaler Blütenpracht

Sonntagmorgen in Weil der Stadt – Jazzfans pilgern zum Klösterle, wohin der Kulturverein der Manufaktur zur Jazz Matinee eingeladen hat. Wer diese Reihe schon einmal besucht hat, weiß was er von der Manufaktur geboten bekommt, nämlich Jazz vom Feinsten! Das ist auch an diesem 1. Advent nicht anders. Mit Gee Hye Lee (Piano), Sandi Kuhn (Tenorsaxofon) und Michael Kersting (Drums) sind gleich drei Landesjazzpreisträger am Werk. Bass-Tausendsasa Joel Locher und die Vokalakrobatin Cemre Yilmaz runden das Quintett ab.

Cemre Yilmaz Quintett in Weil der Stadt
Gee Hye Lee, Sandi Kuhn

Instrumentalkunst auf höchstem Niveau

Das gut gefüllte altehrwürdige Klösterle sollte eine Matinee erleben, die sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben wird. Mit „I Didn’t Know What Time It Was“, einem bekannten Jazzstandard der 40er Jahre, kommt die Formation aus den Startlöchern. Umgehend wird deutlich, worum es in den kommenden 2 Stunden gehen soll: Instrumentalkunst auf höchstem Niveau gepaart mit herausragender Sangeskunst! In der Bossa-Folgenummer mutiert Yilmaz vom Girl aus Ankara zum „Girl from Ipanema“ (A.C. Jobim). Hierbei entfernt sich das Quintett deutlich vom Original und lässt bei seinen harmonischen Ausflügen bereits die ganze Klasse seiner Akteure aufblitzen. Hye Lees perlende Pianofiguren, ein kraftvolles innovatives Tenorsax-Solo und improvisatorisch darauf eingehende Scat-Phrasen Yilmaz‘ mit überraschenden Wendungen begeistern das Publikum.

Cemre Yilmaz Quintett in Weil der Stadt
Cemre Yilmaz

Bestechend intonierte Vokal-Intervallsprünge

Zudem transportieren die Fünf, wieviel Spaß es ihnen bereitet, aufeinander einzugehen und sich spielerisch vom Moment leiten zu lassen. Bobby Caldwells „What You Won’t Do For Love“, ein jazziger Pop-Hit aus den späten Siebzigern, kommt daraufhin sehr intensiv und energiegeladen daher. Eine überzeugende Visitenkarte ihres Könnens liefert Yilmas bei Jimmy Rowles‘ Ballade „Peacocks“ ab. Mit bestechend sauber intonierten Vokal-Intervallsprüngen und spielerischer Dynamik ergänzt sie ein feinfühligen Kontrabass-Solo und das kreative, an Highnotes reiche, Spiel Kuhns. Nachdem Yilmaz in Ankara ein Gesangsstudium absolvierte und anschließend über Graz und Washington schließlich in Stuttgart landete, studierte sie bei der Bundesjazzpreisträgerin Fola Dada Jazzgesang. Ihre türkischen Wurzeln hat Yilmaz jedoch nie abgeschnitten. Folgerichtig gehören auch türkische Weisen zu ihrem Repertoire. „Ada Sahilleri“ ist eine davon. Die türkischen Phrasierungen sorgen für Abwechslung, wenngleich es sich dabei immer noch um eine jazzige Interpretation handelt.

Cemre Yilmaz Quintett in Weil der Stadt
Gee Hye Lee, Joel Locher, Cemre Yilmaz, Michael Kersting, Sandi Kuhn

Schwebende pianistische Höhenflüge

Tief unter die Haut geht „Lawns“ (Carla Bley), eine Ballade, die sowohl vokal als auch instrumental andeutet, dass es bei dieser Band nicht um „schneller, höher, weiter“ geht. Die Freiräume, die sich eröffnen, nutzen Hye Lee für schwebende pianistische Höhenflüge, Kuhn für überaus einfühlsame Saxofon-Licks und Yilmaz für lockere Ausflüge in höchste Lagen, die zudem noch mit abgefahrenen Scats garniert werden. Dann ist Pause. Verklärte Gesichter bei den Besuchern. Einer von ihnen ist Wolfram Obst aus Loffenau. „Ich habe zwischendurch geweint“ sagt er noch ganz gerührt. Und „Die Abstimmung und das Wechselspiel von Stimme und Saxofon sind phantastisch, die warme und offensichtlich keine Grenzen kennende Stimme – einfach phänomenal!“. Noch in dieser Stimmung schwelgend, kommen er und viele andere Musikfreunde in Runde Zwei gleich auf ihre Kosten. „Stars“ ist ein lyrisches Vokal/Piano Duett bei dem Yilmaz und Hye Lee sämtliche Register ihrer Improviations- und Interpretationskunst ziehen.

Cemre Yilmaz Quintett in Weil der Stadt
Gee Hye Lee, Cemre Yilmaz, Joel Locher, Sandi Kuhn, Michael Kersting

Scat mit Text und Rap-Elementen

Danach sind wieder alle Musiker auf der Bühne, die bis zur vehement geforderten Zugabe noch vier weitere Perlen in ihrer Schatzkiste haben. Darunter eine Rarität, die für die meisten Zuhörer wohl eine Premiere darstellt: Scat mit Text, gemischt mit Rap-Elementen, von einem unfassbaren Swing-Drive angetrieben. „Der Hammer!“ flüstert es aus einer Besucherreihe. Und wahrlich entpuppt sich Yilmaz immer mehr als eine der ganz Großen ihres Fachs! Mit „Leylim Ley“ kommen noch Gefühle wie Heimweh und Sehnsucht zum Vorschein und bei Hye Lees Pianosolo scheint auch Yilmas den Tränen nahe zu sein. Mit Chick Coreas „Open your Eyes You Can Fly“ und einer Zugabe schwebt der frühe Sonntagnachmittag dem Ende entgegen.

Bericht und Fotos Bernd Epple

Portraits von Cemre Yilmaz

Portraits von Gee Hye Lee

Portraits von Alexander Sandi Kuhn

Portraits von Joel Locher

Portraits von Michael Kersting