Alexej Malakhau – Leiblich

Debütalbum von Alexej Malakhau – Leiblich

Virtuose Melancholie

In Köln geht echt was. Alexej Malakhau, seit 2003 am Rhein ansässiger Saxofonist aus dem fernen Minsk, hat sich eine ebenso feinfühlige wie hochkarätige Combo zusammengestellt und sein Debütalbum Leiblich vorgelegt. Beides ist in hohem Maße gelungen: Malakhaus´ Mitmusiker, allesamt Meister ihres Fachs, verstehen es durchweg, das ruhige und oft melancholische Material des Saxofonisten adäquat zu Gehör zu bringen. Tieftöner Joscha Oetz und Schlagzeuger Bodek Janke arbeiten stilsicher und geschmeidig am Beat, Gitarrist Vitalij Zolotov und die Pianisten Rainer Böhm und Kristjan Randalu teilen sich die Mehrklänge und tragen auch als Solisten zum besonderen Kosmos dieser Aufnahmen bei.

In No Signal wird während der ersten Takte eine dezente Spannung aufgebaut, die in einem leichtfüßig-perlenden Pianosolo mündet. Das Saxofon übernimmt den Solopart, rhythmisch wird es dichter und dynamischer. Abschliessend darf Bodek Janke im Outro über einer ostinaten Figur die Felle und Becken ordentlich schwingen lassen.

Leibmotiv eröffnet mit einer melancholischen Melodie des Bandleaders, die Bilder von weiten Landschaften entstehen lassen. Kristjan Randalu und Joscha Oetz führen das Thema solistisch fort, unterlegt von Zolotovs dezenten Kürzeln und Singlenotes. Das sich anschließende Saxofonsolo dann weitet das Stück nochmals, bevor es mit der Ausgangsthema schließt.

Zeitgefangener lässt dem Piano ausführlich Raum für eine klassisch inspirierte Improvisation, vom Schlagzeuger mit Besen variantenreich und gefühlvoll unterstützt. Der gestrichene Bass zu Beginn variiert des Klangbild und passt dort gut.

Lela, ein zärtliches, sich ruhig entwickelndes Stück, wird von Joscha Oetz allein mit einer kleinen erzählerischen Sequenz eröffnet. Über minimalistisch agierendem Piano und Drumkit dann das träumerische Thema auf dem Saxofon, punktuell von Gitarrist Vitalij Zolotov mit schwebenden Sounds unterstützt. Sein Solo schließt an und überzeugt durch seine Sensibilität und die milde Abstraktion. Beeindruckend und wohl auch inspirierend für die nachfolgenden Statements von Malakhau und Rainer Böhm, die dann abschließend eine schwelgerische Atmosphäre generieren.

John Lennon schrieb Julia 1968 für seine früh verstorbene Mutter. Die Gitarre Zolotovs trägt die ersten Takte und stellt das Songthema unisono, mitunter in der Zeit leicht verschoben, mit dem Saxofon vor. Eine weitere, gefühlvolle Nummer mit einem kurzen Basssolo und spielerischen Lines vom Gitarristen zum Ausklang.

Das freie, entspannt tändelnde Intro in Narcissique leitet überraschend in einen groovenden Vamp über, den Zolotov mit seinen dezenten Wahwah-Effekten im Funkidiom anreichert. Der Groove in 3/3/3/4-Gliederung erzeugt eine tranceartige Atmosphäre, die das Solo von Malakhau schön schweben lässt, während die folgenden Takte Vitalij Zolotov gehören, hörbar anregend für Bodek Jankes Schlagzeugspiel.

Im kurzen Interlude bläst der Debütant flüssige Lines, bevor mit Auf der anderen Seite eine gefühlvolle Ballade von Zolotov zu Gehör kommt. Das schön auskomponierte Thema, den früh verstorbenen Vätern Malakhaus und Zolotovs gewidmet, trägt dann auch etwas Tröstendes in sich und wer möchte, mag hier eine Verbeugung vor denen auf der anderen Seite heraushören.

Der Schlusstitel des Albums bringt die Zuhörenden zurück ins Leben. Stressmaker heisst er, die synkopierte Bassline führt ins Stück, Bodek Janke spielt straighter als zuvor. Alexej Malakhau überbläst sein Horn auch schon mal, während der Gitarrist nochmals das Wahwahpedal zum Einsatz bringt. Falls dies ein Ausblick auf die nächste Veröffentlichung Malakhaus sein sollte: Immer her damit.

Dies ist ein sehr reif klingendes, inspirierendes Debütalbum. Malakhau hat etwas zu sagen, und er hat sich hörbar beste Unterstützung für sein Vorhaben geholt. Das gilt im Übrigen auch für die luftige und gut anzuhörende Produktion.

Wer es braucht, kann sich jetzt noch die lange Liste der Preise und Auszeichnungen der Musiker ergoogeln. Nehmen Sie sich Zeit.

Wolfgang Fricke