Anja Lechner / François Couturier Duo im Sudhaus Tübingen 2023
Anja Lechner – cello
François Couturier – piano
Tübingen, 14.10.2023
Eröffnungskonzert der 25. Jazz- und Klassiktage in Tübingen mit dem Anja Lechner / François Couturier Duo
Geheimnisvoll, fast ein bisschen archaisch der Beginn: Sachte Sounds der Armband – Rassel einzelne Töne dann auf dem Cello. Tastend und suchend zunächst auch das Piano, irgendwann dann beginnt sich gemeinsame Musik zu formen und zu fließen. Dieser Einstieg in das Eröffnungs- und Jubiläumskonzert der Tübinger Jazz- und Klassiktage ist programmatisch. Denn die knapp 1 ½ Stunden des Duos Anja Lechner (Cello) und Francois Couturier (Piano) sind ein hochkonzentriertes, äußerst gefühlvolles und fürs Publikum genussvolles Suchen aber vor allem Sich – Finden zweier Musiker*innen, die mit ihren Instrumenten und tief in sich ruhend Nähe und Gemeinsamkeit schaffen.
Weder Klassik noch Jazz
„Wir spielen weder Klassik noch Jazz…“ so Anja Lechner in einer der wenigen Ansagen, mit denen sie sich ans Publikum wendet. `Lontano` ist ihr Programm überschrieben, zugleich auch der Titel ihres aktuellen Albums. 16 Titel – meist eigene Kompositionen des Duos – sind darauf zu finden, und viele der Motive, Themen und Melodien tauchen auch live im Konzert im Sudhaus auf. Allerdings ist das Konzert keine Abfolge von einzelnen Musikstücken, eher eine Reise mit fließenden Übergängen. Es ist nicht unbedingt ersichtlich, und vielleicht auch gar nicht wichtig, wo die `notierten`, also kompositorisch festgeschriebenen Stücke enden und die improvisierten Passagen beginnen. In einem Interview vor ein paar Jahren hat Anja Lechner über dieses Thema sinniert: `In der klassischen Musik kann man das Werk monatelang üben, in der Improvisation sollte alles aus dem Moment heraus entstehen. Letztendlich geht es aber in beiden Bereichen immer darum, im entscheidenden Moment fliegen zu können. Es geht auch immer wieder um die Frage, wie man Empfindungen überhaupt schriftlich festhalten kann…`
Im Sudhauskonzert ist es geglückt, Empfindungen auszudrücken, sie weiterzugeben. Anja Lechner mit geschlossenen Augen, in sich hineinhörend. Langgezogene, lyrische Melodiebögen wechseln mit lebendige, fließenden Arpeggios, oder lösen sich in Flageolett – Passagen auf. Mal schafft Francois Couturier am Flügel die rhythmisch – harmonische Basis für die solistischen Exkursionen seiner Duo – Partnerin, dann Rollenwechsel, und tiefe Celloklänge unterlegen die Soloausflüge des Pianisten.
Versunken und hellwach
Bei aller Konzentration manchmal fast Versunkenheit: Diese Duo ist immer auch hellwach. Als unüberhörbar und laut eine Bierflasche beim Publikum zu Boden scheppert, tauchen dabei entstandene Melodie und Klang sofort als Motiv in der Klavierpassage auf und sind damit vom störenden Geräusch zu Musik geworden. Kurzes Schmunzeln der beiden, die eigentlich fast das ganze Konzert eher Rücken an Rücken sitzen, sich nur ab und zu wortlos, mit kurzen Blicken verständigen.
Im Publikum zunehmende Berührtheit. Stücke des des griechisch – armenischen Komponisten Georges Gudjeff und des Georgiers Giya Kancheli führen im letzten Konzertdrittel in imaginäre südosteuropäische oder in eigene innere Landschaften. Der Grundton ist zwar Melancholie, aber nicht die von der schweren, eher die von der freundlichen Sorte. Auch wenn in den Melodien und Klänge immer wieder Einsamkeit oder Fremdheit anklingen: Anja Lechner und Francois Couturier gelingt es mit ihrer Musik eine Atmosphäre zu schaffen, in der es sich bei allem Schmerz leben lässt. Also vielleicht so was wie (mindestens) eineinhalb Stunden Heimat. Kompliment an die Veranstalter für diesen Auftakt der Jazz- und Klassiktage!
Tom Hagenauer
Weiteres Programm der 25. Jazz- und Klassiktage in Tübingen