Arifa im Pappelgarten Reutlingen 2022
Zhivko Vasilev – kaval
Bence Huszar – cello
Franz von Chossy – piano
Sjahin During – percussion
Reutlingen, 14.9.2022
Mit Arifa unterwegs entlang der Donau
Alternative Weltmusik mit orientalischen und osteuropäischen Einflüssen muss kein Buch mit sieben Siegeln sein. Besonders dann nicht, wenn sie auf solch eingängige Weise präsentiert wird, wie am Mittwoch von der vierköpfigen Gruppe Arifa im mit knapp 30 Besuchern dünn besetzten Pappelgarten.
Wer versucht, die Lieder der in den Niederlanden ansässigen Band Arifa musikalisch einzuordnen, muss scheitern. Klar, die Melodien und Rhythmen, die ihnen zugrunde liegen, gehen schnell ins Ohr. Es sind Einflüsse verschiedener Kulturen, Musik, die sich mit alten Musiktraditionen aus dem Nahen Osten und dem Balkan vermischen und doch dem Jazz und zeitgenössischer Musik nah sind. Ihre Musik ist ebenso vielfältig wie ihre Herkunft, stammen die vier Bandmitglieder doch aus Rumänien, der Türkei, den Niederlanden und Deutschland. Seit ihrer Gründung vor zwölf Jahren sind Arifa in 24 Ländern und auf fünf Kontinenten aufgetreten und haben fünf Alben veröffentlicht, die alle von der ungewöhnlichen Instrumentierung und der kreativen Chemie ihrer vier Mitglieder leben.
Zhivko Vasilev (Kaval), Bence Huszar (Cello), der in China lebende Münchner Franz von Chossy (Piano) und Sjahin During (Percussion) sind seit ihrer Gründung Musiker auf Wanderschaft, ihre Musik folgt an diesem Abend dem Flusslauf der Donau von der Quelle in Deutschland über Ungarn, Serbien, Bulgarien bis zur Mündung ins Schwarzen Meer. Auch die Bandmitglieder selbst bezeichnen sich als Wandermusikanten, die sich in der Tradition von türkischen und Balkanklängen bis hin zu Jazz und Klassik sehen. Zunächst klingen Arifa, was auf türkisch „die Wissende“ bedeutet, bei ihrem anderthalbstündigen Konzert wie eine Weltmusikband, bei der das Zusammenspiel der türkischen Hirten- und Längsflöte Kaval und dem gestrichenen Cello nicht so ganz harmoniert. Was wohl daran liegt, dass die ersten Titel aus dem noch nicht erschienenen neuen Album stammen und deshalb noch kaum live präsentiert wurden.
Aber mit der Zeit gewinnen die vier Musiker immer mehr an Sicherheit und lassen alle Konsensklänge sausen – zu Gunsten eines Sounds, der wiederholt neue Klangfarben setzt und sich schwungvoll und abwechslungsreich ins Ohr schmeichelt. Ein weiteres zentrales Element im Arrangement stellen das kleine Schlagzeug und die speziellen Trommeln von Sjahin During dar, die einst zusammen mit Sklaven in die Neue Welt kamen und deren kraftvolle Rhythmen Assoziationen von Ursprünglichkeit und Purismus wecken. Vor diesem Hintergrund bewegt sich als vorherrschende Melodielinie das von Franz von Chossy virtuos gespielte Piano, begleitet von dezenten Soli der drei türkischen Flöten von Zhivko Vasilev oder den spröden Klangmustern auf dem Cello.
Stilistische Vielfalt, enorme Dichte und zuweilen ausufernde Energie prägen den Auftritt der vierköpfigen Band Arifa, die mit originellen Arrangements überzeugen und die sich um keine Stilkategorien zu kümmern braucht, weil sie vor allem eins sind – auf ihre ganz eigene Weise hippe Trendsetter der Weltmusikszene.
Jürgen Spieß
Portraits von Franz von Chossy