Barbara Bruckmüller Big Band – The Blackbird Knows Them All
Barbara Bruckmüller Big Band live im Jazzclub Porgy & Bess Wien
Side A
Track 1 The Blackbird Knows Them All 05:36
Track 2 Silence is Not An Option 07:40
Track 3 Hymn To Freedom 01:23
Side B
Track 1 Hans from Germany or Are You Inspired Now? 06:39
Track 2 My Mr. Always Right 08:28
Vorbemerkung: Die Barbara Bruckmüller Big Band wurde im Jahr 2009 von der gleichnamigen Komponistin und Arrangeurin gegründet. Die Band besteht aus österreichischen und internationalen JazzmusikerInnen. Barbara absolvierte nach ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin ein Jazzpiano-Studium. Vorbilder sind eher Big Band-Leader als Pianisten, so z.B. Duke Ellington, Count Basie, Oliver Nelson über Thad Jones / Mel Lewis und Gil Evans. Barbara nahm erstmals 2013 mit ihrer Band ein Album auf, das u.a. Balladen, brasilianische Musik, Funk und Pop enthielt. Fast alle Titel waren Eigenkompositionen der Big Band-Leaderin. 2022 wurde dann ein Live-Konzert aus dem Jazzclub „Porgy & Bess“ mit dem Titel „The Blackbird Knows Them All“ veröffentlicht.
Als der Rezensent den ersten Titel las, hatte er sofort die Assoziation zu der 1926 erschienen Komposition „Bye, bye Blackbird“ von Ray Henderson mit dem Text von Mort Dixon. Dies war aber eine falsche Verknüpfung. Barbara bezieht ihre Komposition auf ein Gedicht des amerikanischen Lyrikers Wallace Stevens „Thirteen Ways of Looking at a Blackbird“.
Der Titel beginnt im 4/4 Takt mit einem Shuffle artigen Swing-Feeling. Überraschend eingemischt ist dann der Gesang einer Amsel, die von der wunderschönen Flötenmelodie von David Mayrl kongenial einen Dialog mit der echten Amsel führt. Eine gedämpfte Trompete nimmt das Thema auf. Die Big Band begleitet dezent das Tirilieren der Flöte bzw. Amsel. Ein überzeugender Improvisationsteil folgt. Eine komplette Unterhaltung mit mehreren Vögeln wird simuliert. Da in meinem Garten mindestens 5-6 Amseln hausen, wurde von mir ein Test gemacht. Die Musik wurde den Amseln vorgespielt. Tatsächlich antworteten sie auf die Klänge mit Zwitschern und Tirilieren. Die Komposition ist ideenreich und hervorragend instrumentiert.
Die zweite Aufnahme nennt sich „Silence is Not An Option“. Sie bezieht sich auf Reden der Kongressabgeordnete Joyce Beatty und Letetra Widemann; der Schwester eines überlebenden Opfers der Polizeigewalt (Jacob Blake). Beide waren 2020 Teilnehmer an einer Veranstaltung zur Erinnerung an Martin Luther King’s „I Have a Dream“-Rede und zum Gedenken an den Marsch der Bürgerrechtsbewegung auf Washington im Jahr 1963. Sie betonte die Notwendigkeit einer Gesetzgebung zur polizeilichen Rechenschaftspflicht. „Schweigen ist keine Option“, sagte Beatty, „denn Schwarze sind jedes Mal in einem symbolischen Würgegriff, wenn wir gehen, fachsimpeln, joggen, Auto fahren und ja – atmen.“
Die gesamte Aufnahme kann als Klangcollage interpretiert werden. Die Rede von Joyce *) wird verfremdet durch Echo- und starke Halleffekte verfremdet. Dann erfolgen donnernde Drum-Soli (Thomas Froschauer) und Freejazz-mäßige, wütende, atonale Einwürfe eines Alt-Saxophones (Viola Falb) in die Sprachpassagen. Wie in einem Klangexperiment folgen dann kraftvolle Musikpassagen eines Baritonsaxophones, die von der restlichen Band unterstützt werden. Ein perlendes Pianospiel leitet dann in einen Swing-artigen Teil über, der dann durch freie Improvisation eines Alt-Saxophones abgelöst wird. Nahtlos geht die Big Band in die Komposition von Oscar Peterson „The Hymn to Freedom“ über. Oscar nennt seine Komposition „eine musikalische Verbeugung vor den mutigen und beharrlichen Anführern der Bürgerrechtsbewegung, insbesondere vor Reverend Martin Luther King“. Ist das Original ein Blues mit kirchlichem Charakter, so klingt hier die Band wie ein symphonisches Blasorchester. Diese Neuinterpretation klingt feierlich, kraftvoll, bedrohlich und fast militärisch. Ein Experiment, das voller Emotionen steckt.
Der Titel „Hans from Germany or Are You Inspired Now“ kann vereinfachend als Blues bezeichnet. Vereinfachend deshalb, weil die 12-taktige Struktur der Chorusse/Teile nicht durchgängig eingehalten wird. Zu Anfang des Stückes erfolgt durch das Piano von Danny Grissett eine Andeutung „All Blues“ von Miles Davis.
Die gedämpfte Trompete von Marc Osterer passt sich in das Blues-Schema sehr gut ein. Kraftvolle Riffs der Big Band korrespondieren zum Spiel der teilweise in Hochtrompeten-Lage agierenden, expressiven Trompete von Marc Osterer. Moderne Einwürfe des Orchesters wechseln sich mit dem Solisten-Spiel ab. Ein passendes Drum-Solo (etwas verhalten, aber sehr gut passend) folgt dann. Für den Rezensenten eine wahre Ohrenfreude und eine exzellente Komposition.
Swingend wird der von Barbara Bruckmüller komponierte Titel „My Mr. Always Right“ durch den Pianisten Danny Grissett eingeleitet. Moderner, gut klingender Big Band Sound folgt dann. Dem Rezensenten gefallen weiterhin die zweistimmigen Posaunen-Sätze
Fazit: Moderne, faszinierende Big Band-Klänge. Sehr gute Kompositionen und Arrangements. Eine ganz klare Kaufempfehlung für diese EP.
*) von Joyce Beatty ist auf der Aufnahme nur der erste Satz „Silence is not an option“.
Die restlichen Sprachpassagen sind von der Schwester (Letetra Wideman) eines überlebenden Opfers (Jacob Blake) der Polizeigewalt.
Klaus Huckert
Portraits von Barbara Bruckmüller folgen
Portraits von Danny Grissett