Benny Goodman Story

Klaus Huckerts Jazz Ecke
Klaus Huckerts Jazz Ecke

Eine Geschichte des „King of Swing“ Benny Goodman

Die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war eine große Zeit für den Jazz. Der Swing beherrschte die Tanz- und Jazz-Szene. Filme, Radio-Shows, Big Bands, elegante Clubs und Ballsäle dienten dem Swing als Bühne. Und mittendrin herrschte der „King of Swing“ Benny Goodman. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, reifte er zum umjubelten Klarinetten-Star und Big Band-Leader in der Öffentlichkeit. Problematisch war aber sein Charakter im internen Umgang mit Musikern und Kollegen.  

Die Jugend von Benny Goodman

Benjamin David Goodman – so sein exakter Name – wurde am 30. Mai 1909 als neuntes Kind von insgesamt zwölf Kindern einer jüdischen Familie in Chicago geboren. Vater und Mutter waren etwa 1890 aus Polen in die USA eingewandert. Geld, Essen, Wohnraum und Kleidung waren in der Familie immer knapp. Der Vater arbeitete als Schneider und öfters auch in den riesigen Schlachtbetrieben in Chicago. Alle Kinder mussten, wenn sie ein gewisses Alter erreicht hatten, zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Zwei Wesensmerkmale von Benny wurden in seiner Jugend durch die Familie geprägt. Durchsetzungsvermögen und eine Grundangst benachteiligt oder übervorteilt zu werden.

Sein Vater ermunterte vor allem seine Söhne Musikunterricht in der Synagogenschule zu nehmen. Benny lernte dort Klarinette. Unter großen finanziellen Opfern wurde dann das erwachende Musik-Talent und seine Begabung durch Einzelunterricht bei dem Klarinettisten Franz Schoepp gefördert, der auch mit dem Chicago Symphony Orchestra zusammenarbeitete. Diese Ausbildung war entscheidend für das spätere Wirken von Goodman. Die in seiner Zeit lebenden Jazz-Musiker waren in der Regel Autodidakten. Schoepp dagegen vermittelte eine technische Ausbildung, arbeitete mit ihm am exakten Ansatz und Atmung an der Klarinette, achtete auf einen korrekten Fingersatz. Ein Credo von Schoepp lautete: Man muss Musik ernst nehmen und täglich intensiv üben.

Erste Erfolge

Bereits als Jugendlicher arbeitete der Klarinettist auf Ausflugsdampfern, wo er auch den Kornettisten Bix Beiderbecke kennenlernte. Berufsmusiker wurde er mit siebzehn Jahren, als er 1926 in die Band des Schlagzeugers Ben Pollack eintrat. Nach Jahren mit bescheidenen Erfolgen in Chicago ging Benny dann als Freelance-Musiker nach New York. Radio- und Schallplattenindustrie waren wichtige Auftragsgeber. Einige der freiberuflichen Musiker in New York sollten zu den Stars der beginnenden Swing-Ära werden. Tommy und Jimmy Dorsey, Glenn Miller, Artie Shaw, Bunny Berigan, Gene Krupa usw. wurden später große Namen. Zusätzlich zu den genannten Jobs arbeitete Goodman mit der Red Nichols-Band, die beispielsweise für die Gershwin- Musicals „Strike Up The Band“ oder „Girls Crazy“ arbeitete. 1933 brach die Schallplattenindustrie ein, die Wirtschaftsdepression hatte die Menschen im Griff. Doch Benny hatte Glück. Der Nachwuchsmanager, Jazz-Kritiker und Veranstalter John Hammond trat in sein Leben.  Anfang der 30er Jahre verhalf dieser bereits Fletcher Henderson, Teddy Wilson, Billie Holiday und Count Basie zum Erfolg. Dank der Beziehungen seines neuen Managers zu Radiosendern und Firmen konnte Benny dann in der Radio-Show „Let’s Dance“ mit einer Big Band auftreten. Als Einleitungsmusik wurde die Erkennungsmelodie „Let’s Dance“ seines Orchesters gespielt, die Benny für fast alle seine Auftritte nutzte. Diese Melodie wurde aus der klassischen Komposition „Einladung zum Tanz“ von Carl Maria von Weber adaptiert.

Angespornt von der Popularität, die diese landesweite Sendung hatte, wurde 1935 eine Tournee durch die USA mit der Band durchgeführt, die aber fast keinen nennenswerten Erfolg hatte, bis auf den letzten Auftritt. Im Palomar Ballsaal in Los Angeles kam es dann zu einem folgenschweren Auftritt. Desillusioniert von dem desaströsen Verlauf der Tournee bat der Bandleader seine Kollegen an diesem Abend die Hot-Arrangements von Fletcher Henderson anstelle von süßlicher Tanzmusik zu spielen. Goodman wörtlich: „Der laute Jubel des Publikums für unsere Musik war der schönste Klang, den ich je gehört hatte“. Eine Riesen-Erfolgsstory begann.

Benny Goodman in der Erfolgsspur

Im Juli 1935 formierte Benny Goodman ein Jazz-Trio, das mit Teddy Wilson am Piano und Gene Krupa am Schlagzeug meisterhaften Swing-Jazz produzierte. Diese Musik kann man als Kammermusik im Jazz bezeichnen. Ein Jahr später wurde aus dem Trio ein Quartett, in dem Lionel Hampton das Vibraphon einbrachte. Das Quartett wurde dann durch weitere Musiker zu einem Sextett erweitert. Dieses Sextett, das eigentlich ein Septett war, nahm bahnbrechende Platten auf. Zu den genannten Musikern kamen u.a.  Gitarrist Charlie Christian und Bassist Artie Bernstein. Im Laufe der Zeit wechselten die Besetzungen des Sextetts häufig.

Ein Höhepunkt seiner fast 60-jährigen Karriere sollten 1938 zwei Konzerte in der Carnegie Hall in New York werden, die sich „From Spiritual To Swing“ nannte. Darin sollte die Geschichte der afroamerikanischen Musik von ihren Ursprüngen bis zum Jahr 1938 erzählt. Begeisterungsstürme des Publikums lösten eine wahre Swing-Manie aus.

Von 1937 bis 1948 war Benny in ca. 8 Spielfilmen (leichte Kost) mit seiner Band und seinen Erfolgstiteln zu sehen. Durch den filmischen Erfolg der „Glenn Miller Story“ angeregt, produzierte Hollywood 1955 die „Benny Goodman Story“. Der Film ist mit fiktiven Elementen aus dem Leben des Stars angereichert. Verwendet wurde der amerikanische Mythos „vom Tellerwäscher zum Millionär“, eine Liebesromanze und exzellente Musik, die eigens neu eingespielt wurde.

Nicht nur im Jazz-Bereich arbeitete der Künstler. Klassik-Aufnahmen wie etwa das Klarinetten-Konzert von Mozart wurden von ihm aufgenommen. Musik-Kritiker formulierten wohlwollende Statements zu den Ausflügen in die Klassik, aber es gab Journalisten, die nicht restlos von Goodmans Interpretationen überzeugt waren.

Besonders zu erwähnen ist eine sechswöchige Tournee 1962 durch Russland, die auf Veranlassung des amerikanischen Außenministeriums während des kalten Krieges erfolgte. Benny trat in den sechziger bis achtziger Jahren mit diversen Musikern weltweit auf. Er verstarb im Alter von 77 Jahren am 14. Juni 1986 in New York.

Bedeutung und Wesen von Benny Goodman

Benny Goodman war mit der wohl bekannteste Jazzmusiker der Welt. Der Durchschnittsbürger hielt ihn für den „King of Swing“, Meister des Hot Jazz und der klassischen Musik. Unter Jazzfans war er auch als erster weißer Bandleader bekannt, der die Rassenschranken durchbrach, als er in den 1930er Jahren Teddy Wilson, Charlie Christian und Lionel Hampton engagierte. Seine Bands und seine Aufnahmen waren immer erstklassig, und unzählige Musiker hatten Erfolg, weil Benny sie engagierte. Weil seine Musik schön war, erwarteten die meisten Menschen, dass Goodman auch liebenswert war.  Insider in der Branche kennen andere Aspekte seiner Persönlichkeit. Bill Crow, ein Jazzbassist, der mit Benny Goodman 1962 während der Russland-Tournee arbeitete, schreibt: „Wann immer Veteranen von Goodmans Bands zusammenarbeiten, erzählen sie Geschichten über ihn, entweder um sich über sein widersprüchliches Wesen auszutauschen oder um die traumatische Erfahrung, für ihn gearbeitet zu haben, mit Lachen zu bekämpfen. Er hat einige wunderbare Bands zusammengestellt, aber er hatte den Ruf, Musikern den Spaß am Spielen durch sein manchmal cholerisches und beleidigendes Wesen, zu verderben. Während meiner kurzen Zeit mit ihm habe ich erlebt, wie er eine exzellente Band auf der Russland-Tournee völlig demoralisiert hat“.

Quellen

Benny Goodman & Irving Kolodin: Mein Weg zum Jazz – Eine Autobiographie -. Sanssouci Verlag, Zürich 1961.

James Lincoln Collier: Benny Goodman – King of Swing, virtuoses Spiegelbild einer Epoche -. Hannibal, Wien 1992, (mit Diskographie von Manfred Scheffner)

Bill Crow: https://www.billcrowbass.com/to-russia-without-love.html

Nachbemerkung: Der Autor bereitet zurzeit ein zweistündiges Radio-Special zum legendären Konzert von 1938 in der Carnegie Hall vor. Sendetermin: Weihnachten 2023

Klaus Huckert