Bud Powell & more im SparkassenForum Böblingen 2024

Anne Czichowsky – Gesang
Matthias Anton – Saxophon
Tilman Jäger – Piano
Paul Müller – Bass,
Andy Witte – Schlagzeug

Böblingen, 13.12.2024

Süßer die Jazzer nie klingen

Die Veranstaltung der JazzTime Böblingen war zwar mit „Bud Powell & more“ überschrieben; doch ganz ohne Weihnachtshits geht es in dieser Jahreszeit auch bei den Jazzern nicht

Die Herbst/Winter-Saison endet bei den JazzTime Konzerten bereits traditionell im Sparkassenforum, wo sich der künstlerische Leiter und Pianist Tilman Jäger immer eines feinen Bösendorfer-Flügels erfreuen darf, wie er nach dem Konzert verriet. Um die Schaffenskraft eines Pianisten, der maßgeblich für die Weiterentwicklung des Jazzpianos steht, ging es denn auch am Freitagabend. Bereits in den 1940er Jahren setzte Bud Powell pianistische und kompositorische Impulse, die stark vom Bebop inspiriert waren. Nahtlos ist Bud Powell damit in die Gesellschaft eines Charly Parker (Alt-Saxofon) oder Dizzy Gillespie (Trompete) einzureihen. Das ist nun schon bald hundert Jahre her, doch diese Musik lebt in Jazzerkreisen damals wie heute.

Jäger hatte einmal mehr das richtige Händchen, Bebop-affine Musiker zu finden, um Bud Powell, der im September 100 Jahre alt geworden wäre, gebührend zu ehren. Anne Czichowsky (Gesang), Matthias Anton (Alt-Saxofon), Paul Müller (Kontrabass) und Andy Witte (Schlagzeug) ließen es zwei Stunden lang krachen und der gut gefüllte Saal ging mit. Gleich zu Beginn zeigte Landesjazzpreisträgerin Czichowsky warum sie zu den Auserwählten gehörte. Sie beherrschte es bravourös, ihre Stimme auch als Instrument einzusetzen, um damit Bebop-Licks zu scatten, und das im Eiltempo unisono mit Jägers über die Pianotastatur tanzenden Fingern. Czichowsky geriet ins Schwärmen, als die glänzende Entertainerin vom „best album of all times“ erzählte, das ihrer Meinung nach von den Bebop Granden Bud Powell, Charly Parker, Dizzy Gillespie, Charles Mingus (Bass) und Max Roach (Drums) in den 50ern live in der Massey Hall, Toronto mitgeschnitten wurde. „All The Things You Are“ sollte denn auch der erste Jazz-Hit des Abends sein, dem dann später noch einige weitere folgen sollten.

American Christmas Standards

Doch Weihnachten steht vor der Tür und somit auch „American Christmas Standards“, die das kraftvolle Powell/Power-Programm zwischendurch auflockerten. Easy Listening- Swingnummern wie “I’ll Be Home for Christmas” oder “Rudolph the Red-Nosed Reindeer durften da nicht fehlen. Die Freiräume, die sich bei harmonisch überschaubaren Strickmustern auftaten, wurden von allen Musikern zu expressiven solistischen Höhenflügen genutzt. Allen voran Czichowskys Scats bei „It’s Beginning to Look Like Christmas“. Im selben Stück bekam das Publikum ein überaus engagiertes Saxofonsolo, wie auch Jägers perlende Solophrasen zu hören! Diese ernteten bewundernde und anerkennende Blicke des Saxofonisten. Der zählt mittlerweile zu den Vielseitigsten seiner Zunft und ist genreübergreifend in Bigbands, kleinen Formationen und klassischen Ensembles gleichermaßen zuhause. Sicherlich noch etlichen Besuchern unbekannt, machte der Professor der Trossinger Musikhochschule mit dichten Phrasierungen, nahtlosen Intervallsprüngen und Highnotes auf sich aufmerksam. Besonders bei „Night in Tunesia“ legte Mr. Tausendfinger akrobatische Speed-Figuren an den Tag. Diese kochend heiß vorgetragene Nummer hob Jäger ebenfalls fast vom Klavierhocker. Energetisch vielleicht der Höhepunkt des Abends;

Un Poco Loco

Harmonisch tat sich Powells „Un Poco Loco“ (ein bisschen verrückt) hervor, welches nach der Pause von der Rhythmusgruppe im Trio vorgetragen wurde. Ein Walking Bass wechselte mit Samba-artigen Figuren. „Powell Müller“, wie Paul Müller scherzhaft von Jäger genannt wurde, spielte sein Instrument auffällig sauber intoniert, gelassen, und dennoch energiegeladen. Kurz vor Schluss wurde der Nikolaus noch in die Stadt gelassen („Santa Claus Is Coming To Town“), bevor den vehement geforderten Zugaben bereitwillig stattgegeben wurde. „Let It Snow“ war wohl ein Wunsch ans Christkind und „Blues in the Closet” bot nochmals dreistimmige Unisono-Licks von Stimme, Klavier und Saxofon, wie ein Saxofonsolo erster Güte. Jazznachten kann kommen!

Bernd Epple

Portraits von Tilman Jäger

Portraits von Paul Müller

Portraits von Andy Witte