Camille Bertault & David Helbock bei den Int. Theaterhaus Jazztagen 2022
Camille Bertault, voc
David Helbock, p
Stuttgart, 16.4.2022
Experimentierfreudiges Musizieren aus voller Kehle und mit flinken Fingern
Das in Kürze auftretende Duo, eine Französin und ein Österreicher, seien schon aufgrund ihrer Nationalität zu eigenen Charmes wohl kaum zu übertreffen, lässt Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier vor dem zweiten Teil des Doppelkonzertes am 16. April wissen. Nun, der Beweis wurde durchaus erbracht, dass ihre Musikalität dem Charme in nichts nachsteht.
In der Tat betreten Camille Bertault (voc) und David Helbock (p) Pfade, die alles andere als ausgetreten sind. Experimentierfreudigem Musizieren mit Stimme und Tasten sollten keine Grenzen gesetzt sein. Abseits vom Mainstream der Pianisten- und Sängergilde wird der Steinway mit klein-perkussivem Instrumentarium und Loop-Techniken bearbeitet, beziehungsweise ergänzt. Welche Ketten Gesang zu sprengen vermag, zeigt Bertault, indem sie neben rasend schnellen Scat-Phrasen, unisono mit Piano Licks vorgetragen, eine brasilianische Quíca nachahmt oder brasilianische Wortaneinanderreihungen zum Besten gibt, deren Sinnhaftigkeit sich dem, der kein Portugiesisch spricht, nicht erschließt. Auffallend exakte Intonation bei großen Intervallsprüngen, hohe glasklare Sopranpassagen und eine gewisse Theatralik in ihren Bewegungen scheinen ebenfalls zu Bertault zu gehören, wie eben der Charme, den sie nicht nur aufgrund ihres Französischseins versprüht. Ein wenig erinnert sie auch an eine Lauren Newton zu deren Vienna Art Orchestra-Zeiten. Lautmalereien eben, die von üblichen Gesangesvorträgen abweichen.
Helbock, der kongeniale Piano-Partner liebt es ebenfalls, trotz konzertpianistischer Fähigkeiten, Ausflüge ins Experimentelle zu unternehmen – und er liebt seinen Looper, der Glauben machen könnte, es würden sich mehrere Keyboards auf der Bühne befinden. Perkussiv bearbeitet er immer wieder die Saiten des offenen Flügels, die er auch mal mit einem Schal dämpft. Er ist ein Bewunderer des brasilianischen Multiinstrumentalisten Hermeto Pascoal, dem er seine Komposition „Para Hermeto“ widmet. Da lebt er sich gegen Ende des Konzertes noch einmal so richtig aus, indem er zahlreiche Handpercussion-Instrumente integriert, die Saiten zweckentfremdet und Bertault zur Scat-Glanznummer des Abends entführt. Im Höllentempo geht es die Skalen rauf und runter. „In My Box“ heißt die Zugabe, die sich auch auf der neuen CD „Playground“ befindet. Ab Ende Mai wird sie auch diejenigen Jazzfreunde beglücken, die bedauerlicherweise nicht in den Genuss dieses Konzertes kommen konnten.
Bernd Epple
Portraits von Camille Bertault
Portraits von David Helbock