Catherine Russell im Jazzclub Bix Stuttgart 2024
Catherine Russell (voc)
Matt Munisteri (git)
Ben Paterson (p)
Tal Ronen (b)
Domo Branch (dr)
Stuttgart, 1.3.2024
Every morning when i wake up, i had the blues…
Vor vier Jahren sollte sie im Stuttgarter Bix auf der Bühne stehen, doch die allseits bekannten Gründe der Jahre 2020/21 verhinderten, dass die in New York geborene Grammy Gewinnerin Catherine Russel hier im arrivierten BIX auftreten konnte. Von daher war dieser Auftritt heiß ersehnt und logischerweise seit Wochen restlos ausverkauft. Das Quintett wurde an diesem Abend komplettiert von Matt Munisteri (git), Ben Paterson (p), Tal Ronen (b) und Domo Branch (dr), die den Abend locker und entspannt mit dem Klassiker „Swing brother swing“ eröffneten. Munisteri an der Gitarre lässt schnell durchblicken wer der „Musical Director“ auf der Bühne ist. Er ist der Erfahrenste der Band und kann in seiner musikalischen Historie auf eine große Vielfalt an Musikstilen zurückblicken. Vom anfänglichen Ragtime-Countrystyle entwickelte er sich über den Gypsy-Jazz hin zu einem angesehen Songwriter, Gitarristen und Produzenten in der Jazzszene. Eines seiner produzierten Alben schaffte es in den Billboard Jazz-Charts bis auf Platz sechs. Die Erfahrenheit und Vielfalt in seiner musikalischen Vita war an diesem Abend durchaus immer wieder zu erkennen.
Wenn man den swingenden Blues im Blut hat
Als der eigentliche Star des Abends, in Person von Catherine Russell sich in dem zweiten Stück dazugesellt, spürt man vom ersten Ton an, dass diese Stimme keinen Vergleich mit Bessie Smith oder gar mit Billie Holiday zu scheuen brauch. Kein Wunder denn sie hat den swingenden Jazz und den Blues wahrhaftig im Blut. Ihr Vater Louis Russell war ein legendärer Pianist/Komponist und Bandleader und über viele Jahre hinweg Louis Armstrongs musikalischer Direktor. Ihre Mutter, von der sie musikalisch besonders beeinflusst wurde und die sie im Laufe des Abends als ihre beste Gesangslehrerin bezeichnet, war eine legendäre Bassistin, die unter anderem mit Marie Lou Williams und Wynton Marsalis auftrat. Die junge Catherine gab doch zuerst mal ihr Debut als Tänzerin in einer Broadway-Show (was an diesem Abend an ihren Bewegungen klar erkennbar ist), bevor sie dann doch ins Gesangfach wechselte um ihr Geld als gefragte Backgroundsängerin zu verdienen. Über 20 Jahre stand sie unter anderem bei Paul Simon, David Bowie, Jackson Browne oder Cindy Lauper in der zweiten Reihe.
Ein später Einstieg in die Studiokarriere
Relativ spät in ihrer Karriere, im Jahr 2006, erschien ihr Debutalbum „Cat“ bei „World Village Label“. Zwei Jahre später folgte das zweite Album „Sentimental Streak“ bei dem gleichen Label, bei dem zum ersten Mal Matt Munisteri als Gitarrist in ihrer Band in Erscheinung trat. Seitdem ist er fester Bestandteil ihrer Crew und wie bereits erwähnt ihr musikalischer Arrangeur. Ihre Studioaufnahmen verbinden Soul, Swing, Blues und Jazz in ganz besonderer Weise miteinander, und die Elemente des frühen New Orleans Jazz sind kaum zu überhören. Ihr zweites Album, dass überwiegend akustisch arrangiert wurde, erhielt unter anderem 2008 der Preis der deutschen Schallplattenkritik in der Sparte Jazz. Die nachfolgenden Alben erhielten weitere Preise und wurden mehrfach für den Grammy nominiert. Der Großteil der aktuellen Setlist besteht aus ihrem letzten 2022 erschienenen Album „Send form me“, in dem sich wiederum unverkennbar die Einflüsse von Etta James, Ella Fitzgerald und Big Mama Thornton wiederspiegeln.
Die Energie des swingenden Sounds nimmt die Zuhörer von Anfang an, im positiven Sinne, in Beschlag, die Solis der Protagonisten sind dezent, aber von hoher Qualität. Ben Paterson am Klavier scheint manchmal in seinen Tasten zu versinken, Tal Ronen am Kontrabass spielt stets lächelnd mit viel Leichtigkeit seinen Part und Domo Branch am Drumset zeigt mit seiner innovativen Spielart, dass es des Öfteren auch ohne Drumsticks geht. Russel interpretiert im Laufe des Abends in ihrer ganz eigenen Art viele Größen der Blues und Jazzgeschichte. Ob Nat King Cole, Ruth Brown, oder bei Benny Carters „Make it last“, die feinfühlige Herangehensweise der Sängerin hinterlässt beim Publikum einen nachhaltigen Eindruck. Kurzfristig wird an diesem Abend mit „Bocas del Toro“ auch mal in den südamerikanischen Sound übergewechselt, was noch mehr Leichtigkeit in den Jazzclub transportiert.
One bourbon, one scotch and one beer und die Bar tanzt
Die Stimme von Catherine Russel ist über jeden Zweifel erhaben, ganz gleich ob bei feinen „Herzschmerz-Pur-Balladen“, oder wie bei John Lee Hookers ruppiger Bluesnummer „ One bourbon, one scotch and one beer“. Da lassen sich die Angestellten hinter der Bixbar nicht zweimal bitten und verbinden ihre Arbeit des Bier- und Bourbon Ausschenkens mit einem lockeren Tänzchen. Ein wunderbarer Abend, der in perfekter Weise zeigt wie eine hohe musikalische Qualität, eine umwerfend variable und gefühlvolle Stimme eine energetische Symbiose mit dem Publikum eingehen kann. Mit der Eigenkomposition „You can fly high“ und der Huldigung an den großen Mr. James Brown und seinem Song „Baby let me hold your hand“ geht dieser seit vier Jahren langersehnte Abend würdig zu Ende.
Harald Kümmel
Portraits von Catherine Russell