Cats & Breakkies – New World

Cats & Breakkies - New World
Cats & Breakkies – New World

Tübingen, 18. Mai 2024

Glühende Lava, bizarre und bedrohliche Fratzen und menschliche Abgründe

Jazz im Herzen und Techno in den Genen – mit diesem Zitat im Gepäck und mit ihrer elektrisierenden Musik brachte die Berliner Band Cats & Breakkies beim Landesjazzfestival 2024 den Tübinger Club `Schlachthaus` zum Kochen. Im Frühjahr 2024 ist auch das dritte Album der Band `New World` erschienen. Tom Hagenauer hat sich das Konzert und die neue Platte angehört:

New World, ist Musik für Dancefloor, unterwegs oder für alleine, zuhause. Das neue Werk dreht sich – kratzerlos und 180 gr -Vinyl schwer – auf dem Plattenspieler. Was knistert, ist die Spannung. Zu hören sind zuerst leise Signale wie aus einem kratzigen Radio und von ganz weit weg. Dazu mischen sich fein gehäckselte Synthie-Klangpartikel, dann erste Melodiefragmente. Nach und nach werden sie voller und mächtiger, gegeneinander verschoben und miteinander verwoben, Klänge und Soundpakete aus Keyboards und Gitarre. Dazu präzise und treibend die Drums, drückend und drängend der Bass, schließlich die volle Band. `The Prophet` ist Opener des Albums, ist ein fett – groovender Einstieg, auch Prophezeiung, dass es sich lohnen wird, dieses dritte Album der Berliner Band möglichst laut und bis zum Ende des siebten Tracks anzuhören.

Auch der zweite Song, Night on Earth, spielt rhythmisch mit diesem gleichzeitigen Verzögern und Vorwärtstreiben. Dabei erschaffen Benedikt Schnitzler (Gitarre + electronics) und Johannes Gottschick (Keyboards) ständig bestechend schöne, fast verführerische und Sounds. Eine Nachtfahrt als Klangfilm, der immer weiter gehen soll.  

Cats & Breakkies
Cats & Breakkies

Für dieses dritte Album der Berliner Band haben sich die Vier Cats & Breakkies viel Zeit genommen. In den gut fünf Jahren seit der letzten Veröffentlichung hat sich die Welt vielleicht deutlicher wie zuvor verändert, auch die Ideen und Songs immer wieder gewandelt. Herausgekommen sind jetzt, nach drei Jahren Arbeit, sieben Stücke, die zwar keine durchgängige Geschichte erzählen. Die einzelnen Tracks lassen sich aber eher zu einem Gesamtgemälde addieren. Tatsächlich findet sich auf dem fantasy – psychedelisch – bunten Cover auch alle Motive, Gestalten und jede Menge Assoziationen zu den Songs: Glühende Lava, bizarre und bedrohliche Fratzen und menschliche Abgründe `Humanity Insanity` hämmert und pulsiert, bass – und drum – geladen. Daneben lauert (?) eine rätselhafte Echse. `Reptile` folgt einer schroff – hypnotischen und Schlagzeug – Linie, mischt mehr und mehr Soundlinien und -Klangflächen in den Song um sich in harmonische Regionen zu öffnen. `Madan`, das erzählt Raphael Kaletta, ist in einer idyllischen harmonischen bulgarischen Landschaft entstanden. Und klingt auch so: freundlich und leicht, fast wie ein Sommersong. Wir hören Stimmen, und sehen (auf dem Cover) einen blauen Schmetterling durch grüne Auen flattern.

Die Musik der Cats & Breakkies ist schwer in Kategorien zu fassen. `Orgenic electro`, der Titel des ersten Albums, signalisiert, dass etwas in dieser Art in Techno – Clubs oder auf Festivals gespielt wird, dort aber üblicherweise von DJ`s gemixt wird. Cats and Breakkies aber spielt – eben auch serielle und repetitive Musik- echt. Live. Mit sehr lebendigen Musikern und auf echten Instrumenten. In ihren Konzerten spielen sie ihr Publikum und die Band in Trance, ihre Songs sind Klangkunstwerke.

New World ist ein Zaubertrank

New World, die dritte Platte, ist ein Zaubertrank, in dem unterschiedlichste und verführende Zutaten brodeln. Benedikt Schnitzler an der Gitarre und Johannes Gottschick kombinieren und mixen exquisite und wohldosiert Flavours aus ihrer Klangküche zu immer wieder neuen Sounds. Selten klingt Moog so frisch, so anders, so neu und gleichzeitig eben nach Moog. Die beiden Brüder Bastian (Bass) und Raphael Kaletta (drums) stehen für Basis und Grundpuls, ziehen unmerklich oder auch deutlich den Groove an. Besonders Schlagzeuger Raphael Kaletta heizt und  steigert bis schier oder tatsächlich der Siedepunkt erreicht scheint.

Diese unerschöpfliche Energie und Varianz hängt vielleicht damit zusammen, dass alle in diesem hochenergischen Quartett versierte Jazzmusiker sind. Jazz, serielle Musik, minimal music, pschedelischer– und das alles nicht aufgesetzt sondern eben leicht und organisch ständig neue Verbindungen ein. Aus der Ferne winken die kosmischen Kuriere aus der Krautrock freundlich.

Zu erleben ist das natürlich live. In Bewegung. Aber die Musik wirkt auch auf Platte. Und sie wird besser, tiefer und vielschichtiger je öfter man sie hört. Auch wenn diese Scheibe kein Konzeptalbum im eigentlichen Sinn sein will: Natürlich strebt das Ganze irgendwann auf den Schlusstrack zu: Alles verschmilzt, alles ist Rhythmus, alles ist Sound. Und `New World` – gleichzeitig auch Titel des gesamten Albums – ist dann eben doch so was wie ein finales Stück. Ganz großes Kino, ein Statement. Großartige Musik. Alles ist gut.

Tom Hagenauer

Konzertprogramm des Landesjazzfestival Tübingen