Charles Lloyd Sky Quartet auf der Sudhaus Waldbühne Tübingen 2024
Charles Lloyd (sax, flute)
Jason Moran (piano)
Larry Grenadier (bass)
Eric Harland (drums)
Tübingen, 26.7.2024
Sommernacht, Träume weben & Klanggemälde
Dieser Freitagabend und genau dieser Ort sind genau richtig für Charles Lloyd und seine Musik. Ganz leichter Wind, ein bisschen Schwüle noch vom Tag in der Luft, Falter und Stechmücken schwirren durchs Publikum, mächtige Bäume, am Himmel Wolken.
Einzelne Töne, fast vorsichtiges, zaghaftes Herantasten an die Musik, freies Spiel, dann der erste Saxophonton. Erste – Melodiefragmente, der Charles Lloyd – Ton, wir sind im ersten Stück angelangt. Dream Weaver, ein ganz früher Titel von Charles Lloyd, der im Laufe der Jahrzehnte immer wieder Wandlungen erfahren hat, und immer wieder auftaucht, auf Konzerten und Platten. Dream Weaver, das sind an diesem Abend die Vier auf der Bühne, die aus einzelnen Soundpartikeln, Klängen Tönen, Akkorden und Melodien, also aus diesen einzelnen Ideen in dieser Sommeratmosphäre zusammenfinden und ein zusehend gemeinsam gewobenes Muster entstehen lassen. Irgendwann dann sind sie `richtig` da: Über allem der warme, dennoch markante Ton von Charles Lloyds Tenorsaxophons, Eric Harland am Schlagzeug, der eine Art Rhythmusteppich ausbreitet, dazu abwechselnd pulsierend oder melodisch Larry Grenadier am Bass und natürlich Jason Moran am Flügel, zuhause im Blues, in der Jazz Tradition und mit Lust auf Exkursionen in immer wieder neue Gefilde.
Die meisten der Titel, die das Charles Lloyd Sky Quartet in Tübingen spielt, sind vom neuen Album, eine Doppel CD, die im März erschienen ist. Manchmal straight, mit Tempo, Monk´s Dance zum Beispiel, oder eindringlich, harmonisch, träumende Balladen. Die Musik fließt, wandert und wandelt sich dauernd. Geht über, in lange Passagen, in denen Lloyd Querflöte spielt und lässt viel Raum für ausgedehnte Soloausflüge von Larry Grenadier am Bass und Jason Moran am Flügel.
Monterey und Meditation
Immer wieder wird deutlich, Lloyd und seine Mitspieler schöpfen aus einem riesigen Reservoir unterschiedlicher Musik. Charles Lloyd ist aus der Memphis, Stadt am Mississippi, Stadt des Blues. Er ist zwar verwurzelt in einem Modern Jazz aus den 50er- und 60er – Jahren, ist aber oft ganz eigene Wege gegangen. 1967 steht für den `Summer of Love`. Lloyd ist beim Festival in Monterey aufgetreten, spielt in dieser Zeit auch im Fillmore West in San Francisco. Er war in Südfrankreich beim Jazzfestival in Antibes und trat beim allerersten Jazzfestival von Montreux als Headliner auf. Seine Band u.a. mit Keith Jarrett und Jack DeJohnette kümmerte sich nicht um Genregrenzen, die Stücke dehnten sich um ganze Plattenseiten. In den 70er – Jahre war Charles Lloyd für eine lange Auszeit von der Bildfläche verschwunden und lebte an der Pazifikküste in Big Sur. Er beschäftigte sich mit Meditation und nur ab und zu und eher inoffiziell spielte er mit Musikern von den Beach Boys zusammen.
Mit einem neuen Quartett und vom Münchner ECM – Label betreut ist Charles Lloyd ab Ende der 80er `wieder da` und entwickelt seine in sich ruhende Musik konsequent weiter. Seither ist der 1938 geborene einer der ganz wenigen Musiker, der einen solch weiten Zeitraum, nämlich gut 70 Jahre Jazz- und Musikgeschichte aktiv erlebt und geprägt hat. Es sind die ausdrucksvollen Melodien, der warme Sound und die Verbindung unterschiedlicher Einflüsse, die ihn auszeichnen, seine immer wieder unaufgeregten dafür ungemein anregenden neuen Soundgemälde ohne sich an modischen Trends zu orientieren.
Bluesman on a spiritual journey
„Wir alle sind Seelen auf der Reise durch das menschliche Dasein„, das ist ein Zitat aus dem `Spiegel`, und beschreibt auch das, was man auch auf der Sudhausbühne erleben kann: Ein Konzert, die Musik einlädt, Gedanken und Gefühle schweifen zu lassen, sich inspirieren zu lassen. Musiker und Publikum, so scheint es, sind angetan und genießen das unterwegs – Sein mit Charles Lloyd.
Ab und zu setzt sich der Meister der wärmenden Töne und der tragenden Melodien auf einen neben dem Flügel bereit gestellten Schemel, trinkt einen kleinen Schluck und scheint still in sich hinein zu lächeln. Freut sich, könnte man meinen, wie er zusammen mit seinen drei Mitspielern auch diesen neuen Song auf die Reise geschickt hat, und der sich zu einem stetigen aber auch dauernd sich verändernden mäandernden Klangfluss geworden ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Titel oder die Grundkomposition 60 Jahre alt ist oder gerade erst auf dem neuen Album erschienen ist. Die Stücke heißen `Beyond Darkness` oder `Sky Valley, Spirit oft the Forest`. Der Ton von Charles Lloyd ist da, und es spielt keine Rolle, dass er inzwischen 86 Jahre alt ist. Sein Klang, das ist Blues, ist Spiritual, ist Jazz – oder besser: seine Musik. „I come from a blues background. I’m a bluesman on a spiritual journey!“ , so vor ein paar Jahren in einem SWR – Interview. `The Sky Will Still Be There Tomorrow` heißt die neue Platte. Beruhigend. Und schön.
Tom Hagenauer
Portraits von Charles Lloyd
Portraits von Jason Moran
Portraits von Larry Grenadier
Portraits von Eric Harland