Clara Vetters ‚Letters From Nowhere‘ – Live in Cologne
Clara Vetter – p, sampler
Håvard Nordberg Funderud – git, sampler, live processing
Petter Asbjørnsen – b, sampler
feat. Fabian Arends – dr, modular synth
All Compositions by Clara Vetter, Håvard Nordberg Funderud and Petter Asbjørnsen
Letters From Nowhere
Dieses Album wird immer besser, je öfter und länger man es hört. Heißt zweierlei: `Letters from Nowhere` erschließt sich einem nicht unbedingt auf Anhieb, aber – ganz entscheidend – es enthält Musik, die neugierig macht, in der es viel zu entdecken gibt, und die in die Tiefe wirkt. Die Stücke haben keine Namen, die einem beim Einordnen helfen würden. Sie heißen `Excerpt Set II (1)` oder Excerpt Set I (Interlude II)` oder (der letzte der sieben Tracks `Beginning oft the concert`. Der tatsächlich erste Track auf dem Album, das sind zunächst Geräusche, Sounds, Samples. Percussion. Erinnert an nächtliches Sendersuchen in uralten Radios, Werkzeuge, Kuh – Muhen, fern und tiefe Basstöne, kosmisches Rauschen, Signale von Irgendwo – oder eben `Letters from nowhere`. Dann ertönt das Piano von Clara Vetter, die die ersten Töne setzt, um dann mit der gesamten Band weiter in dieses erste Stück zu führen. Zwei der Mitspieler, Havard Nordberg Funderud an der Gitarre und Bassist Petter Asbjornsen sind seit Jahren eng und freundschaftlich verbunden mit der Stuttgarter Pianistin, die 2023 mit dem Jazzpreis Baden – Württemberg ausgezeichnet wurde. Zusammen haben sie unter dem Projektnamen `Letters from Nowhere` ganz eigene und vielschichtige Kompositions-, Improvisations- und Live – Performance – Methoden entwickelt. ‚Live in Cologne‘ kann als eine Art (vorläufiger) Höhepunkt dieser Formation gelten.
Das Album ist der Mitschnitt eines Live-Auftritts im Kölner `Loft`, bei dem das Trio durch den versierten und auch mit der elektronischen Welt bestens vertrauten Schlagzeuger Fabian Arens ergänzt wird. Immer wieder entwickelt sich aus Melodiefragmenten, aus einzelnen Tönen, Soundclustern oder rhythmischen Geräuschen ein Musikfluss. Nicht Groove im Mitwipp – Sinn, es ist eher eine Bewegung, die an Meeresdünung erinnert, die intensiver wird, dann wieder abebbt, in der sich immer wieder Dialoge zwischen Piano und Gitarre oder Bass entwickeln, oder gesampelte aber auch live erzeugte elektronische Sounds, kombiniert mit dem vielseitigen und ausgeklügelten Spiel des in Köln lebenden Schlagzeugers Fabian Arends.
Live im Kölner Loft
An dieser Stelle sei erwähnt, dass Clara Vetter ziemlich zu Beginn der Lockdown – Phasen (Sie hatte damals gerade ihr erstes Album ´Leading Impulse` fertig) sehr eindrücklich darüber berichtet hat, wie sie mit dem plötzlichen Auf-Sich-selbst-zurückgeworfen-Sein umging. Für sie hieß das, eigene Musik komponieren, aber vor allem auch andere und neue Formen eines Miteinander auszuprobieren. In diesem Fall mit Havard Founderud und Petter Asbjornson eben auch über weite Distanzen hinweg musikalisch zu kommunizieren, Kompositionen, manchmal auch nur Fragmente auszutauschen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Das alles über elektronischen Briefkästen und Plattformen. Es hieß aber vor allem auch, zusammenzuspielen, obwohl man eben nicht physisch nebeneinander auf der Bühne oder miteinander im Studio war. `Live in Cologne` brachte das Ergebnis dieser gemeinsam erarbeiteten Stücke dann auf eine reale Konzertbühne.
Im Kölner Loft spielte das Quartett Live. Das Besondere an diesem Auftritt ist, dass alle vier Mitspieler nicht nur ihre Instrumente bedienen, sondern gleichzeitig auch ihr gesampeltes Material verwenden und miteinfließen lassen. Klingt vielleicht ein bisschen kompliziert, ist aber – wenn man so will mehrschichtiges Album geworden, dass einen ganz eigenen Flow, manchmal fast Sog entwickelt. Dichtes Zusammenspiel wechselt sich ab mit ruhigen – nachdenklich – suchenden Passagen. Es oszillieren diese Signale aus anderen Welten, es gibt wunderbare Gitarrensounds zu erleben und eine sehr vielseitige und versierte Clara Vetter am Flügel. Und wer noch eine weitere Ebene der `Letters from Nowhere` zuschalten will, dem sei ausdrücklich das CD – Cover samt Booklet mit der grafischen Umsetzung der Musik empfohlen.
Tom Hagenauer
Portraits von Clara Vetter