Fola Dada – Rainer Tempel Duo

Fola Dada voc
Rainer Tempel p, comp

Düstere Romanzen

Rainer Tempel und Fola Dada vertonen im Reutlinger Pappelgarten Poe- und Dickinson-Gedichte

Reutlingen, 29.7.2020 Bayreuth lässt grüßen im voll besetzten Pappelgarten: Wenig Jazz, dafür vertonte Gedichte von Edgar Allan Poe und Emily Dickinson, unterteilt in zwei Liederzyklen, die aus jeweils zehn Stücken bestehen und von dem Tübinger Pianisten Rainer Tempel und der Stuttgarter Sängerin Fola Dada präsentiert werden. Eine Kombination, die man selbst im Pappelgarten nicht alle Tage erlebt und am Mittwochabend ein eigenwilliges Konzerterlebnis versprach. 

Der Jazzpianist und Arrangeur, der eigentlich das große Bigband-Format liebt, hat sich an diesem Abend den lyrischen Werken zweier längst verstorbener Dichter gewidmet, die der eher finsteren und morbiden Literatur zugeneigt waren. Als sei der Todesgedanke ihre geheime Antriebskraft, waren Edgar Allan Poe und Emily Dickinson stets auf der Flucht vor den eigenen Gespenstern und haben dies in zum Teil abgründige und geheimnisvolle Horror- und Schauerliteratur gegossen. 25 Jahre habe er sich bereits mit dem Genre Lied befasst, erzählt Tempel nach dem Auftakt mit dem Jazzstandard „My Romance“, aber erst 2017 mit dem Komponieren der Zyklen begonnen.

Die Stücke, denen Tempel mit seinen Arrangements ein romantisches Kunstlied-Gewand verpasst hat, füllen vergleichsweise viel Papier und verlangen erhebliche Präzision. Sie enthalten auch das Singen mehrerer Töne auf einer Silbe, zarte Pinselstriche und eine ganz besondere Art, mit Harmonien umzugehen. Während vor der Pause schwermütige Traumgedichte wie „A dream within a dream“, „Eldorado“ oder „Evening Star“ von Edgar Allen Poe (1809 bis 1849) auf sehr strenge Art und Weise vertont werden, hat das Publikum im zweiten Teil des Konzerts „die dunkle Seite des Mondes bereits hinter sich“, wie Tempel in gewohnt humoriger Art formuliert. Und tatsächlich werden Emily Dickinsons (1830–1886) Texte, die eigentlich weit strenger im Versmaß sind als die von Poe, geschmeidiger, zugänglicher, zum Teil fast heiterer vertont. 

Begleitet wird Rainer Tempel an diesem Abend von der Stuttgarter Sängerin Fola Dada, die die über drei Jahre entstandenen Poe- und Dickinson-Zyklen ihres Duopartners mit klarer und gleichzeitig sanfter Stimme untermalt. Vor allem im zweiten Teil wird Fola Dada mehr und mehr zum Medium für Tempels Tondichtungen und für die Geister von Dickinson und Poe. Ihr Zugang zur Welt des romantischen Kunstliedes gefährdet nie die Substanz der Stücke. Im Gegenteil, der Respekt, den die Jazzsängerin ihnen gegenüber empfindet, ist jederzeit spürbar. Interpretationen wie „I felt a funeral, in my brain“ oder auch das düstere „If I should die“ laufen wie in Zeitlupe ab und entwickeln sich mit der Langsamkeit und der Logik eines Alptraums.

„Das wird kein Jazzkonzert“, hatte Rainer Tempel zu Beginn versprochen. Tatsächlich erlebten die knapp 80 Besucher ein Konzert, bei dem sich die beiden Jazzmusiker mit Improvisationen zurückhielten – ohne Berührungsängste und mit viel Respekt vor den beiden amerikanischen Dichtern und dem klassischen Kunstlied. Und dann endete das zweistündige Konzert doch noch wie es begonnen hatte: mit einem Jazzstandard als Zugabe.

Jürgen Spieß

Portraits von Fola Dada

Portraits von Rainer Tempel