Gee Hye Lee Trio im C. Bechstein Centrum Tübingen
Gee Hye Lee, Klavier
Joel Locher, Kontrabass
Mareike Wiening, Schlagzeug
Tübingen, 24.9.2021
Septemberfarben – Das Gee Hye Lee Trio im Tübinger C.Bechstein Centrum
Es gibt Konzerte, bei denen entfalten die ersten Töne eine Magie, die als Grundstimmung bleibt, über dem ganzen Auftritt. Im Tübinger Bechstein Zentrum beginnt nicht die Pianistin und Bandleaderin – am Anfang stehen, pulsieren, wärmen, so richtig tiefe Töne, ein melodischer, runder, spätsommerlicher Bass. Joel Locher, aus Kopenhagen eingeflogen, legt die Basis für Breath, das erste Stück des Trios von Gee Hye Lee, der südkoreanischen Pianistin, die seit 1996 in Stuttgart lebt. Sie nimmt Klangfarben, Stimmungen auf, die Musik wird fast unmerklich immer intensiver, voller, und plötzlich spielt da eine wunderbare Band zusammen. ‚Fast unmerklich‘ scheint fast so eine Art Stilmittel, ein Prinzip der Band zu sein. Da ist Mareike Wiening, die Schlagzeugerin, die an einem eher unscheinbaren drumset sitzt, und zunächst auch nur ein paar leise Akzente einstreut, mit Filz über Becken oder Trommeln streicht, dann die Besen kreisen lässt und dann eben ‚fast unmerklich‘ einen dermassenen Groove vorantreibt, der die ganze Band erfasst hat.
Wunderbarer Wechsel von Themen, Gee Hye Lees perlenden Piano Läufen, dann Break, die Band nimmt sich fast komplett zurück, und doch nimmt sich jede/r seinen Raum, geht in freie Gefilde, kommt zurück und merkt: alle sind noch oder wieder da. Wunderschön abwechslungsreich und voller Überraschungen anzuhören und mitzuerleben in einem ausgedehnten Stück mit dem Titel Munmak, einer Erinnerung der Pianistin an einen Park in dem sie gerne mit ihren Eltern war.
What Matters Most
‚What Matters Most‘ ist der Titel ihrer neuen Trio – CD, fast ausschließlich mit Material aus den vergangenen anderthalb Jahren entstanden. An diesem Abend wird diese Musik zwar noch etwas unoffiziell aber erstmals vor Publikum vorgestellt. Wahrscheinlich werden wir noch eine ganze Weile Konzerte, Musik, Kultur erleben, die geprägt sind von der Corona – Zeit. Also mit reduzierten Besucherzahlen, ohne Bewirtung, dafür mit der freundlichen Geste der Veranstalter (Bechstein – Zentrum und Tübinger Jazzclub) auf jedem Platz eine kleine Flasche Mineralwasser zu platzieren; und eben der warmherzigen Begrüßung der Künster*innen, die Sätze sagen wir: Das ist seit langem wieder das erste echte Konzert. Wir sind so dankbar, dass wir spielen können, es war und ist eine schwierige Zeit für mich, für uns Musiker…..
Es gibt Titel auf der neuen CD und natürlich auch im Konzert, die heißen ‚Breath‘ , ‚Care‚, ‚Funny Quarantine‚ oder ‚Schlafparalyse‘. Aber wer eine gedämpft-zurückgezogen-melacholische Musik dahinter erwartet hätte, der*die wurde überrascht von einem ständigen Wechsel der Tempi, Stimmungen und Sounds. Es gab ausgedehnte Exkursionen in freie Gefilde, auch wenn sich Gee Hye Lee insgesamt wahrscheinlich im großen Rahmen eines aktuellen modern Jazz einordnen ließe. Aber zum Thema Schubladen und Genrekästchen: Das Tübinger Publikum wurde vorgewarnt – Nicht erschrecken! beim nächsten Stück, ‚Schlafparalyse‚, da wird`s laut…..Und klar, es war tatsächlich ein bisschen laut, und es war ein bisschen anders, und es war vor allem wunderbar befreiend, und das war und ist wichtig vor allem in dieser Corona-Mehltau-Zeit.
Gee Hye Lee und ‚What Matters Most‚ ist wunderbar einfühlsames Ensemblespiel mit jeder Menge Raum für Live – Kommunikation der Pianistin mit Ihren beiden Trio – Partner*innen Mareike Wiening und Joel Locher. Ein begeistertes Publikum erklatschte sich eine fast rockig-harmonische Zugabe, in der nochmal die volle Klangpalette eines sonnigen Septembertages durch das Bechsteinzentrum rollte, und weil`s den Besucher*innen immer noch nach mehr war, wurden sie mit einer Stevie W. – Wundermelodie in die Nacht geschaukelt.
Tom Hagenauer
Veranstaltet hat dieses Konzert der Jazzclub-Tübingen in seiner Reihe ‚Jazzclub im BechsteinCentrum‚.
Portraits von Gee Hye Lee
Portraits von Joel Locher
Portraits von Mareike Wiening