Hammond-Orgel-Meister Dr. Lonnie Smith gestorben
Böblingen, 29.9.2021
Die Jazzlegende Dr. Lonnie Smith ist im Alter von 79 Jahren gestorben.
Er war eine auffällige Erscheinung, Turban-Träger mit langem, weißem Bart. Er sah aus wie ein Guru, eine Art Priester, aber ein weltlicher: ein Hohepriester an der Hammond Orgel B3.
Er trug einen Doktortitel, ohne je promoviert zu haben. Er hat ihn sich – einfach so – selbst verliehen, wie er sagt:„There was no particular reason- and the turban had no religious significance, either“ (s. u.)
Dr. Lonnie Smith ist Ende September 2021 im Alter von 79 Jahren verstorben.
Smith begann erst mit 21 Jahren Orgel zu spielen aber er wusste sofort, dass die Hammondorgel und er zusammengehören. „Ich hatte keine Probleme mit dem Instrument vom ersten Moment an als ich die Tasten berührte. Alles war schon in mir drin …“ Er wurde zur Legende an der Hammond, der einzig wahre Nachfolger von Jimmy Smith, der dieses klobige Instrument in die Jazz-Welt einführte.
Dr. Lonnie Smith spielte mit George Benson, mit Lou Donaldson u.v.a., rund 30 Alben veröffentlichte er unter eigenem Namen, viele davon bei „Blue Note“ aber auch bei „Pilgrimage„, seinem eigenen Label. Smith musizierte mit Kollegen, die bestens ausgebildet waren, er setzte vor allem „Feeling, Liebe und das Verlangen Musik zu machen“ dagegen, “Das war alles!“ Er hat einen weitgefächerten Musikgeschmack, ihn interessierten Genregrenzen nicht, Stücke von John Coltrane über Dionne Warwick, Jimi Hendrix bis hin zu Beck gehörten zu seinem Repertoire.
Seine schräge Aura, sein unorthodoxer Stil, seine überquellende Musikalität machten aus seinen Konzerten großes Theater. Smith verstand, die sperrige Hammond B3 zum Brodeln zu bringen. Sein ansteckender Groove, sein Gespür für Melodie und Rhythmus, ließ sein Spiel so richtig funkig krachen, was auch ein LP-Titel widerspiegelt: „Everything I Play Is Funky“(1969).
Mitte der Siebzigerjahre verflachte seine Karriere, allmählich zog er sich sogar aus dem Musikgeschäft zurück. Doch junge Musiker entdeckten ihn und sampelten seine Songs für ihre Hip-Hop, Acid-Jazz und sogar House-Nummern. Deshalb begann Smith in den Neunzigern wieder zu touren und Platten aufzunehmen.
Der neue Blue-Note-Chef Don Was holte ihn schließlich zu „seinem“ Label zurück und produzierte seine letzte CD „Breathe“, die 2017 live in einem Jazzclub in New York mit seinem durch Bläser verstärktem Trio aufgenommen wurde und 2021, kurz vor Lonnies Tod rauskam. Die Live-Aufnahmen wurden von zwei im Studio entstandenen Stücken umrahmt, auf denen die Punk Legende Iggy Pop auf seine unnachahmliche Art singt oder besser krächzt und gurrt. Aus Donovans “Sunshine Superman“ und “Why Can’t We Live Together“ von Timmy Thomas’, wiederbelebt durch Sade (The Smooth Operator) machen Pop und Smith Bluesstücke, bei denen man nicht weiß, was bedrohlicher lodert, die vollfette Hammond-Orgel oder die lakonische Baritonstimme. (Adrian Kreye,SZ)
Dr. Lonnie Smith war immer etwas Besonders, etwas eigenartig, kauzig und zauberhaft zugleich. Er war stets identifizierbar, charaktervoll und mit einer unglaublichen Energie und Spiritualität ausgestattet (Ulrich Habersetzer, BR). Wichtig war es ihm, das Feuer an die jüngere Generation weiter zu reichen, doch das Feuer, besser der Vulkan, ist jetzt erloschen:
Dr. Lonnie Smith, R.I.P.
Hier noch ein interessantes Zitat von ihm zu seinem Doktortitel
„But I’m a doctor of music. I’ve been playing long enough to operate on it, and I do have a degree, and I will operate on you. I’m a neurosurgeon. If you need something done to you, I can do it. But when I go up on that stand, the only thing I’m thinking of is music. I’m thinking to touch you with that music. I don’t think about the turban, I don’t think about the doctor — I just think about how I’m going to touch you.”
Helmut Hugo Burkhardt
Portraits von Dr. Lonnie Smith
Unser Konzertfotos: Dr. Lonnie Smith bei der jazzopen 2016