Hattler im Kulturzentrum Dieselstrasse Esslingen 2023

Fola Dada, voc
Torsten de Winkel, guit
Hellmut Hattler, bass
Oli Rubow, drums

Esslingen, 24.3.2023

Das Konglomerat der Individualisten

Wenn man die gut 200 Besucher des Hattlerkonzertes in der Dieselstraße an diesem Abend gefragt hätte, was sie denn in den letzten knapp zwei Stunden für einen Musikstil gehört haben, so hätte wahrscheinlich Ratlosigkeit geherrscht, man hätte 100 verschiedene Antworten bekommen. Tatsache ist, das Publikum war restlos davon begeistert, von dem was das Quartett um den Kraanbassisten Hellmut Hattler an diesem Abend ablieferte. Ein Konglomerat verschiedenster Musikstile, präsentiert von äußerst innovativen Protagonisten, die ihr Instrument beziehungsweise ihre Stimme perfekt beherrschen.

Es war eins von nur 2 Konzerten, die Hatller mit dieser Formation im Frühjahr gibt. Mehr war vor dem Herbst nicht möglich, da seine Begleiter vielbeschäftige Studiomusiker/innen, Dozenten an der Musikhochschule usw. sind. Hatller der 1971 mit Kraan eine der ersten und auch erfolgreichsten deutschen Jazzrock-Formationen gründete, ist mit seinen inzwischen siebzig Jahren eine „Basslegende“ im deutschen Musikbusiness. Nachdem Kraan sich nach sechs recht erfolgreichen Alben auflöste, schlug Hattler verschiedenste musikalische Wege ein. Die Formation Tab Two war der kommerziell erfolgreichste Trip, mit unzähligen Alben und vielen weltweiten Tourneen. Mit dem Ansinnen Jazz und Hip Hop zu vereinen entwickelte sich die Band zu Deutschlands wegweisender  Acid-Jazz Formation. Hier entstand auch die Verbindung zu dem Gitarristen Torsten de  Winkel, der auf nahezu allen TabTwo Alben mitwirkte und inzwischen fester Bestandteil der Band Hattler ist. Die Gruppe Kraan formierte sich zudem immer wieder neu, spielte neue Platten ein und ist auch gegenwärtig wieder regelmäßig auf Tournee, mit Hattler am Bass.

Beifallsstürme

Neben Torsten de Winkel, der mit seinem feingliedrigen und vielschichtigen Gitarrenspiel immer für Beifallsstürme sorgte, komplettieren der Schlagzeuger Oli Rubow und die aus Stuttgart stammende Jazzsängerin Fola Dada die Band. Rubow beschäftigt sich seit Ende der 1990er Jahre mit der elektronischen programmierten Rhythmusästhetik. Er erweitert, das optisch sparsam gehaltene Drumset, durch verschiedenartige Elektronik, wie Sequenzer, Drumcomputer und andere verschiedene Effektgeräte. Rubow treibt den ganzen Abend, außer bei zwei besinnlich ruhigen Songs, die Band rhythmisch an, was einen besonderen und unwiderstehlichen Groove erzeugt. Über diesen Grooves und Beats, dem knallenden Bass von Hattler und dem virtuosen Gitarrenspiel de Winkels schwebt in ihrer ganzen Breite die fulminante Stimme von Fola Dada. Die mit dem Deutschen Jazzpreis 2022 ausgezeichnete Stuttgarter Sängerin ist unter anderem auch ein fester Bestandteil der SWR Big Band und seit 2006 bei Hellmut Hattler mit dabei. Fola Dada bringt an diesem Abend die soulig-poppige Variante mit ins Spiel, ist aber auch durchaus in der Lage, und das auf hohem Niveau, dem Jazzgesang zu huldigen, was besonders bei einem Duett mit Hattlers Bass zum tragen kommt. Die gesangliche Breite und das Stimmvolumen von Dada ist enorm und schließt nahtlos den Kreis dieser vier virtuosen Individualisten. Auch die Soloausflüge von de Winkel und Rubow sind nicht welche von der Stange, nein sie sind virtuos, intuitiv und geprägt von großem Können. Gelegentlich verlässt Dada die Bühne und gibt den Raum frei für die drei Instrumentalisten, die sich ganz besonders bei dem Stück „Nachtstrom“ gegenseitig musikalisch zu Höchstleistungen antreiben, was sich dann in den letzten Minuten des Tracks zu einer Art „Psychodelic-Jazz-Rock-Hatz“ entwickelt mit einem schier unfassbarem Drive. Das im Anschluss präsentierte Gitarrensolo de Winkels, kühlte das Ganze etwas runter. Wunderbar gespielt, mit Riffs und Tonfolgen, die ein wenig an Pat Metheny erinnerten.

Und so neigte sich ein wunderbare musikalische Reise über das poppige Stück Teaser und dem jazzigen von Sitarklängen angehauchten „Dehli News“ bis zum funkigen Rap „Whatchagonnado“ dem Ende zu. Nach zwei Zugaben inklusive einem außergewöhnlichem Schlagzeugsolo waren Band und Publikum gleichermaßen erschöpft und begeistert. Es war eben eine musikalische Tour jenseits der Normen die Spaß machte und die hohe Kunst zeigte, wie Musikstile verschiedenster Art von virtuosen Instrumentalisten zu einem Konglomerat zusammengefügt werden kann. Ein besonderer Abend in der Dieselstraße.

Eine kleine Anekdote zum Schluss. Nach dem Konzert erzählte ich Hellmut Hattler, dass ich ihm einst, genauer gesagt in Sindelfingen 1975, geholfen habe die Boxen von Kraan in die Klosterseehalle zu tragen. Er schmunzelte nur und konnte sich nach gut 2000 Konzerten logischerweise nicht mehr daran erinnern.

Harald Kümmel

Portraits von Fola Dada

Portraits von Torsten de Winkel

Portraits von Hellmut Hattler

Portraits von Oli Rubow