Interview mit dem Shalosh – Pianisten Gadi Stern
Fragen an Gadi Stern nach dem Stuttgarter Konzert
Wie hat die aktuelle Situation, der Krieg Euch beeinflusst? Euch persönlich aber auch mit Blick auf die Musik und die geplante Tour?
Dieser massive Angriff und der Krieg haben uns natürlich stark beeinflusst, und trotzdem auf Tour zu gehen, war keine leichte Entscheidung. Aber wir haben beschlossen, dass jede Show auf dieser Tour ein Gebet für den Frieden werden sollte. Für den inneren und den äußeren Frieden. Für uns war das ein richtiggehender Heilungsprozess. Das Gefühl der Liebe und der Verbundenheit zum einen zwischen uns aber auch mit dem Publikum und natürlich der Musik, das war sehr heilsam für uns und hat uns geholfen. Deshalb sind wir sehr froh über unsere Entscheidung.
Das neue Album wurde aufgenommen, bevor Terror, Gewalt und Waffen das Leben radikal verändert haben. Um was ging und geht es bei den ‚Tales of Utopia‘?
Wir haben ‘Tales of Utopia’ während der Corona Krise aufgenommen, sozusagen zwischen den Lockdowns. Und so hatten wir’s schon damals mit einer Art Rückzug oder Realitätsflucht zu tun. Die Welt war zu einem verrückten Ort geworden, aber wir waren zusammen. Zunächst mal fand das Utopia, das wir uns ausgedacht hatten, in unserem Proberaum statt. Zusammen spielen, zusammen arbeiten. Und dann kam so was wie Eskapismus in unseren Kompositionen dazu; story–telling, fantasy,…weil die Welt draußen zu kompliziert und zu schwierig geworden war, um mit ihr klarzukommen. Das war ganz ähnlich wie heute. Und in diesem Zusammenhang ist dieses Album wichtig, gerade in dieser aktuellen Kriegssituation.
Denkt Ihr, dass Kultur, Kunst und eben Musik dabei helfen kann, Wege aus Gewalt und Krieg heraus zu finden?
Das ist eine große Frage. Auf einem ganz pragmatischen Level glaube ich, dass Kultur, Kunst und Musik eine Sphäre der ‘life-loving’und ‘peace-loving’Menschen ist. Und die Verbundenheit, die uns die Musik zu erleben erlaubt, die entsteht meistens bei den ‘Live-loving’. Menschen, die ‘death-loving’und mit Krieg und Gewalt beschäftigt sind, mit denen ist es viel schwieriger sich zu verbinden. Aber wenn wir für das Leben kämpfen, kämpfen wir für Kultur, und Kultur ist die Essenz, die Grundlage des Mensch – Seins. In diesem Sinne glaube ich, dass wir’s mit was Wichtigem zu tun haben. Nicht speziell wir, nein Kultur generell. Und wenn wir unsere Verbindung mit dem Mittleren Osten anschauen, das ist ein Teil von uns. Israeli zu sein, ist ein Teil von uns. Aber ich glaube, dass die Wurzeln der Musik sehr tief sind und viel weiter reichen, als nur ein Land oder eine bestimmte Region zu beschränken. Diese roots kommen von Afrika, von Europa, aus dem Mittleren Osten und alles ist miteinander verbunden. Und so sind wir von allem beeinflusst, was wir erlebt und erfahren haben an den unterschiedlichen Orten der Welt, in denen wir gelebt haben. Aber klar, Israel ist natürlich Bestandteil unserer musikalischen Sprache und genauso Europa.
Das Interview führte Tom Hagenauer
Portraits von Gadi Stern