Interview mit Sasha Berliner
Sasha Berliner beim Interview mit Tom Hagenauer nach dem SWR NEWJazz Meeting 2021
Das Konzert heute Abend war der erste Auftritt nach vier gemeinsamen Tagen mit der Band beim SWR in Baden – Baden. Wie hast Du die Tage dort erlebt, was ist da passiert, wie habt Ihr zusammengearbeitet?
Ich hab` zwar alle Kompositionen für diesen Aufenthalt geschrieben und mitgebracht, aber die waren natürlich nicht fertig. Bei diesem Projekt beim SWR hat man die ersten vier Tage in Baden – Baden, in denen man von morgens neun bis siebzehn Uhr miteinander arbeitet. Als wir angefangen haben, die Stücke zu proben, da war die Musik natürlich nicht komplett. Also die hatten zum Beispiel keinen Schluss, vieles war unvollständig. Jetzt ging`s eben da drum, welche Ideen die Band zu diesen Songs hat. Wir haben also angefangen, zu proben, zunächst auf der Basis meiner Ideen, dann wurde überlegt, soll die Gitarre die Melodie übernehmen, soll die Posaune eher im Hintergrund bleiben, wollen wir noch einen ganz neuen Part dazu spielen…. Mit solchen Dingen haben wir uns vier Tage lang beschäftigt, und das war eine sehr schöne Erfahrung, auch sowas wie eine richtige Transformation der Musik. Und das haben wir dann schließlich aufgenommen, im SWR – Studio in Baden – Baden.
Du bist an der amerikanischen Westküste, in San Francisco aufgewachsen, 2016 aber nach New York gezogen. Was sind denn die Unterschiede zwischen West- und Eastcoast?
Wir scherzen da gerne drüber; die Westcoast gilt einfach als viel relaxter; und der Gitarrist sagt mir, dass ich die Wörter so dehnen würde, weil ich aus Kalifornien komme; ich sprech` auch ein bisschen langsamer….Die New Yorker sprechen schneller, sind eher harsch, sind rauere Autofahrer…Aber vielleicht gibt´s da einfach unterschiedliche Energien. Ich denk, die Westcoastmenschen sind einfach ein bisschen entspannter.
Und was bedeutet das in der Musik, im Jazz ?
Das hat natürlich viel mit der jeweiligen Musikszene zu tun. In Los Angeles, da gibt’s viele Musiker*innen, die arbeiten mit R & B- und Popmusikern zusammen, und sie experimentieren vielleicht ein bisschen mehr mit Elektronik. Und in New York, da gibt`s eher so eine traditionelle Jazzszene, was auch mit der Geschichte von Harlem beispielsweise zu tun hat. Aber gleichzeitig ist New York auch sehr innovativ und experimentierfreudig. Da gibt’s auch eine starke Verwurzelung was Improvisation und Komposition anbetrifft, und das ist auch der Grund, warum ich in New York bin.
In der SWR2 – Sendung über das New Jazz Meeting hast Du Frank Zappa als ganz wichtigen Einfluss für Dich genannt, speziell auch die Marimbaspielerin und Percussionistin Ruth Underwood. Haben die heute auch noch eine Bedeutung für Dich?
Ja, absolut! Ich hab` grad eine Dokumentation mit Ruth Underwood gesehen, in der es darum ging, wie sie Zappas Musik kennengelernt hat, sich erarbeitet hat – auch wie ihr gesagt wurde, diese Musik kannst Du eigentlich gar nicht spielen. Sowas ist gar nicht erlaubt hier. Sie hatte eine klassische Ausbildung aber ihre Ohren waren offen für mehr…eben für die Energie von Frank Zappa, seine Kreativität und Einzigartigkeit. Und sie (Ruth U.) ist wirklich unglaublich, sie hatte einen großen Einfluss auf mich. Ihre Parts sind manchmal echt hart. Ich hab` einige ihrer Marimba – Passagen gespielt, die sind richtig schwierig….
Hört man etwas von diesen Einflüssen in Deiner eigenen Musik?
Na ja, Du hast ja das Konzert gehört, und ich denk, Du würdest nicht unbedingt sagen, das fühlt sich nach traditionellem Jazz an, also nach Milt Jackson, Bebop oder so. Ich selbst bin ja auch mit Rock, Funk, Rhythm `n Blues und mit all so was aufgewachsen. Wenn ich meine Musik und ihre Beziehung zum Jazz sehe, ist das eher so, dass zum Beispiel Akkorde oder Harmonien aus der Jazzwelt kommen, oder auch mal Melodien oder die Improvisation. Aber das Ganze folgt nicht solchen Gesetzmäßigkeiten wie Thema – Improvisation, Thema – 2. Improvisation usw. … also dieses a – b – a – …. Ding. Bei mir gibt`s eher lineare Kompositionen, die können hierhin oder dorthin führen, und du hörst den Anfangspart nie wieder in dem Stück. Also das interessiert mich: Traditionen auch mal aufbrechen!
Das Gespräch mit Sasha Berliner führte Tom Hagenauer
Unser Konzertbericht: Sasha Berliner beim SWR NEWJazz Meeting 2021 im Sudhaus Tübingen