Interview mit Valeria Maurer
Tübingen, 25.5.2022
Valeria, du bist Jazzsängerin, vertonst russische und armenische Texte, beschäftigst dich mit indischer Musik, verarbeitest Volksmusik aus Russland und der Ukraine – wie bringst Du diese Welten zusammen?
Ich habe lange Zeit überlegt, ob ich mich für eine Sache entscheiden soll, aber das klappt bei mir nie, weil ich mich eben für diese ganzen Kulturen interessiere. Und dabei ist mir natürlich auch wichtig, auf Russisch zu singen. Das ist jetzt nicht Hauptthema bei diesem Programm, da war`s nur ein Song auf Russisch. Das andere waren ins Englische übersetzte Gedichte, weil ich natürlich auch will, dass die Leute es verstehen. In dem Fall waren es zwei Gedichte aus dem Russischen übersetzt – eins von Osip Mandelstam, das ist ein jüdisch – russischer Dichter aus dem 20. Jahrhundert, sehr bekannt, und das zweite war von einer Poetin und Freundin von mir aus Novosibirsk. Sie ist durch Armenien gereist und hat dann dieses Gedicht auf Russisch geschrieben, und das habe ich dann übersetzt.
Ist es denn schwierig für Dich, von der einen in die andere Welt zu wechseln?
Ich finde gar nicht, dass das unterschiedliche Welten sind. Wir haben als Basis den Jazz, weil wir alle auch Jazz spielen; das war auch meine Grundlage, als ich angefangen habe, eigene Stücke zu schreiben. Und dann irgendwann hab ich mich für World Music interessiert, ich hab auch indische Musik – ja man kann sagen – gelernt. Und wenn ich meine Stücke schreibe, dann ist das alles da. Ich möchte mich nicht einschränken und denken `…ich muss jetzt aber Jazzstücke schreiben…` oder `jetzt sollte ich aber folkloristische Musik schreiben…`. Von der Harmonik ist es sehr von Jazz geprägt.
Du bist in Novosibirsk aufgewachsen, hast dort eine Jazz–Ausbildung gemacht. Wie war die?
Wir haben dort eine Schule, wir haben überhaupt eine starke Jazz-Schule in Russland. Wir haben da ein Jazz College, es ist die stärkste Jazz-Schule hinter dem Ural. Da hab ich studiert, vor meinem Studium in Deutschland. Und dort war´s eben ganz `klassischer` Jazz, keine modernen Sachen, keine eigenen Stücke. Ella Fitzgerald zum Beispiel, und viele Standards. Das haben wir alles komplett so gesungen, das war – wie soll ich`s nennen – sehr sehr straight.
Und wie bist Du dann ausgerechnet nach Mannheim gekommen?
Mannheim, das hat mich interessiert, weil es da ganz verschiedenen Professor*innen und ganz unterschiedliche Stile gab. Ann Malcolm, meine erste Professorin, die stand tatsächlich für den klassischen Jazz. Dann gab`s auch das Weltmusikensemble, auch indische Musik, und da hab ich eben auch damit angefangen.
Mannheim – hieß auch: Ich wollte auch in Baden Württemberg studieren – (lacht) – weil ich damals auch dachte, dass ich da näher bei meinen Verwandten bin. Obwohl ich sie gar nicht so oft sehe….
Welche Verbindungen hast Du denn hierher?
Ich bin sozusagen Russlanddeutsche. Ich habe eine deutsche Herkunft und bin quasi eine Spätaussiedlerin….
…und jetzt also seit 2013 hier?
…ja, damals noch als Studentin….
Wie hat sich für Dich die Welt verändert, seit es den Krieg in der Ukraine gibt?
Das ist natürlich ein sehr schwieriges Thema. Und natürlich hat sich die Welt verändert. Aber für mich, meine Freunde und für unseren Freundeskreis hat sich unsere Beziehung Gott sei Dank nicht verändert. Ich habe viele ukrainische Freunde, meine frühere Mitbewohnerin aus der Wohngemeinschaft ist aus der Ukraine, zwei andere Freunde sind auch aus der Ukraine. Für uns ist das (der Krieg) kein Thema, über das wir streiten. Wir unterstützen einander. Ich versuch einfach zu helfen. Wenn die Leute hierkommen, auf der Fluch sind, dann hilft man; mit Übersetzung oder bei der Suche nach Arbeit. Wir sprechen auch eine Sprache.
Hast Du noch Verbindungen nach Novosibirsk?
Ja, meine Eltern leben da…
Du machst hier Musik, schreibst Songs, machst Auftritte, wie ist die Situation in Novosibirsk? Gibt`s dort auch Musik, Jazz, in diesen schwierigen Zeiten?
Ja sicher, natürlich ist das alles da. Es wirkt eben hier alles geschlossen. Ich meine für uns hier sieht das so aus, als ob das da ein geschlossenes Land wäre…tja… (seufzt) …Leider sind die zwei Welten einfach getrennt. Aber ich meine, die Leute haben sich nicht verändert. Die Leute, die helfen, die Leute, die für Kultur, für Musik, für Menschlichkeit sind, die machen einfach weiter. Und natürlich gibt es auch viele, die einfach weggezogen sind.
Welche Bedeutung hat Musik gerade in dieser Zeit?
Also für mich ist sehr wichtig, dass man keine Grenzen setzt! Natürlich muss man auch verstehen, dass diese verschiedenen Kulturen existieren, dass es unterschiedliche Mentalitäten gibt. Aber für mich ist es einfach wichtig, dass ich in meinem Leben heute diese unterschiedlichen Einflüsse habe. Das weckt in mir so eine Kraft…kann man sagen. Für mich gibt`s da auch keine Nationalitäten, das ist egal für mich….
Das Interview führte Tom Hagenauer
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