Jesse Davis Quartet im Jazzclub Bix Stuttgart 2024
Jesse Davis (sax)
Oliver Kent (p)
Martin Zenker (b)
Mario Gonzi (dr)
Stuttgart, 18.1.2024
Der sanfte Klang des Bebops
Seit einigen Jahren tourt das Jesse Davies Quartett in regelmäßigen Abständen durch Europa und begeistert Publikum und Kritiker gleichermaßen. So auch an diesem Abend im Stuttgarter Bix. Jesse Davies und seine Mitstreiter gelten mit ihrem sanften und trotzdem treibenden Sound als Vorreiter des „Mainstream- und Post-Bop-Jazz“.
Der 1965 geborene Jesse Davies wollte eigentlich Profi-Footballspieler werden, doch wegen eines Schlüsselbeinbruchs musste er diesen Traum schnell aufgeben und wandte sich dann der Musik zu. Er gilt als einer der angesehensten Musiker in New Orleans und war Schüler von Ellis Marsalis am New Orleans Center for Creative Arts. Neben der Funktion als Bandleader hat Davies mit anderen Jazzgrößen, wie Chico Hamillton, Roy Hargrove oder Phil Woods zusammengespielt. Auch seine Begleiter an diesem Abend können eine durchaus eindrucksvolle musikalische Vita vorweisen.
Oliver Kent am Piano ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Wiener Jazzszene und mit vielen renommierten Musikern sowohl als Sideman als auch Leader, in verschiedensten Formationen zu hören und zu sehen. Bei seinem Aufenthalt 1994 in New York spielte er unter anderem mit Eddie Henderson zusammen. Seine Haupttätigkeit ist seit vielen Jahren die Professur an der Universität für Musik und Kunst in Wien.
Sein Landsmann Mario Gonzi ist ebenfalls Professor an derselben Universität in Wien und spielt seit seinem fünften Lebensjahr Schlagzeug. Gonzi kann eine lange Liste von herausragenden Jazzmusikern vorweisen mit denen er zusammenspielte. Unter den vielen Jazzgrößen sind Clark Terry, Randy Brecker, Scott Hamilton, John Marshall, Benny Bailey und Paquito D`Rivera die bekanntesten Namen. Unter anderem war Mario Gonzi 14 Jahre lang bis zu Art Farmers Tod im Jahre 1998 Mitglied des „Europäischen Art Farmer Quintetts”.
Auch der klassisch ausgebildete Kontrabassist Martin Zenker hat eine illustre musikalische Karriere hinter sich. Schon kurz nach seiner Ausbildung wandte er sich dem Jazz zu und begleitete Jazzlegenden wie Jimmy Cobb, Eartha Kidd oder Billy Hart. Seine musikalische Arbeit ist auf über 50 Alben dokumentiert. Als Professor für Jazz-Kontrabass war er in Seoul/Südkorea und Ulan Bator/Mongolei tätig und erhielt hier auch die Ehrenprofessorwürde.
Jazz, der aus dem Herzen kommt
Dieses musikalisch hochkarätige Quartett begann den Abend im Bix eher zurückhaltend, mit feingliedrigen sanften Tönen, kurzen Solis, bei denen sich Jesse Davies, wenn er nicht selbst an der Reihe ist, sich respektvoll an die Seite der Bühne begibt. Unkomplizierter gut konsumierbarer Jazz, der aus dem Herzen kommt, wie Davies bei seiner ersten Ansage ans Publikum versichert. Die Liebe zur Musik und der Energieaustausch mit dem Publikum steht für ihn an erster Stelle, was auch den ganzen Abend spürbar ist. Sanft streicheln die Töne seines Saxofons die Zuhörer, auch die Solis sind stets unaufgeregt…
Bis zur Pause bleibt der Sound eher „smoothie“, aber stets hochwertig mit einem gut aufgelegten Oliver Kent, dem die Pianostrukturen wie feingeschliffene Perlen aus den Fingern gleiten und diesen etwas zu braven „Post-Bop-Jazz“ zu einem, auch für nicht Jazzfans gut konsumierbaren Erlebnis wird. Im zweiten Teil des Abends wird das Tempo etwas angezogen, der Sound wird wilder, härter und die gechillte Unauffälligkeit der ersten Stunde ist Geschichte.
Zwei Stunden Jazzgenuss
Die Töne werden gewagter und die Solis gewinnen erheblich an Qualität. Der musikalische Spirit bewegt sich nun ungebremst und besonders Mario Gonzi am Schlagzeug gibt seine Zurückhaltung auf und kann seine technische Brillanz ohne irgendeine Einschränkung präsentieren, was das Publikum immer wieder zu Beifallskundgebungen hinreißt. Jeder der Musiker scheint im letzten Drittel sich freier zu fühlen und auch Martin Zenker begeistert das Publikum mit seinem extravaganten, technisch grandiosen Bassspiel. Nach diesem musikalischen Aufbäumen wird es gegen Ende des Abends sanfter, ruhiger, was die zwei Stunden Jazzgenuss wunderbar vollendet. Und was kann solch einen Abend besser abrunden, als das wunderbare von Charlie Chaplin komponierte Stück „Smile“, das Jesse Davies und seine Mannen in einer traumhaft schönen Version spielen und die Besucher des Konzertes mit einem Lächeln im Gesicht in die kalte Stuttgarter Nacht entlässt.
Harald Kümmel
Portraits von Jesse Davis
Portraits von Oliver Kent
Portraits von Martin Zenker
Portraits von Mario Gonzi