Jo Ambros bei der Jazztime Böblingen
Jo Ambros bei der Jazztime mit Revolutionsliedern in Böblingen
Revolution vor der Kongresshalle
Die Böblinger „Jazztime“ beim „Sommer am See“ mit internationalen Revolutionsliedern
Die erste Revolution am vergangenen Freitagabend war wohl, dass die Jazztime im Rahmen vom Sommer am See zum ersten Mal in ihrer 20-jährigen Geschichte unter freiem Himmel stattfand; die zweite Revolution, dass das Wetter hielt und schließlich die dritte: Jo Ambros trat in seiner ehemaligen Heimatstadt zum ersten Mal gemeinsam mit Tilmann Jäger auf. Obwohl der Pianist, Arrangeur und Jazztime-Organisator vor vielen Jahren als Referendar am Albert-Einstein-Gymnasium den damaligen Zwölftklässler Jo Ambros unterrichten durfte, kam es nie zum gemeinsamen Spiel in einer Combo. Umso mehr genossen beide Musiker, dass es zu dieser längst fälligen Veranstaltung kam. Jäger betonte, dass er mindestens zwei Gründe hätte, an diesem Abend glücklich zu sein: „Weil ich wieder einmal im Schwôbaländle bin und zweitens mit Jo auf der Bühne sein kann!“ – „Zudem ist es heute wichtig politisch zu sein. Wo geht unsere Welt sonst hin?“, fügte er in Anbetracht des Programms hinzu. Dieses bestand aus Revolutionsliedern der 2020 erschienenen CD „Bread and Roses“. Ambros selbst stellte die Frage: „Wie politisch soll Musik sein? Ich habe noch keine Antwort gefunden. Offensichtlich erscheint mir aber, dass wir im Dialog sein müssen. Das ist das was wir in die Welt bringen können!“ Was für eine passende Einleitung für das Stück „Danser Encore“, das Ende 2020 auf YouTube knapp 5 Millionen Mal angeklickt wurde.
Warum kommt in der heutigen populären Musik so wenig Politik vor?
Der Abend führte durch verschiedenste Zeitepochen und Länder, in denen die Unzufriedenheit mit der aktuellen politischen Situation diese Lieder entstehen ließ. Ob das nun die französische Revolution, die kubanische Revolution oder der spanische Bürgerkrieg war; überall entstanden Lieder, die eines gemeinsam hatten: kraftvolle Melodieführungen, die die Menschen erreichten. In den 60er und 70er Jahren waren sogar Hits noch politisch, wie sich das am Beispiel von „Blowin‘ In The Wind“ oder „Give Peace A Chance“ ablesen lässt. Jo Ambros hatte auch diese im Gepäck und fragt sich: „Warum kommt in der heutigen populären Musik so wenig Politik vor? Wo ist der Geist, der die Menschen dazu brachte, ihren Unmut in einem Lied zum Ausdruck zu bringen?“. Ambros‘ Sprache ist die Musik; mit ihr schafft er es die Stimmungen der Texte auch instrumental rüber zu bringen. Geschichtliche Hintergründe wurden während den Titeln immer wieder in Textform über die Lautsprecher eingespielt, was den rund 100 Besuchern half, die musikalischen Interpretationen besser nachzuvollziehen. Reggae, Jazz, Blues, Funk, Rock oder gar Heavy Metall – alles fand einen Platz, dort wo es Ambros sinnvoll erschien. „We Shall Overcome“ widerspiegelt zum Beispiel die Rassenunruhen, wie sie zur Zeit Martin Luther Kings in den Südstaaten der USA herrschten. Die schöne Melodie des Songs blitzt nur gelegentlich aus dem schweren gitarrenlastigen Groove. Jimi Hendrix, mit seiner Version der amerikanischen Nationalhymne auf dem legendären Woodstock-Festival, lässt grüßen. Ambros ist musikalisch in allen Genres zuhause und kann somit versiert mit Stilistiken spielen. Flexible und einfühlsame Musiker, wie den Schlagzeuger Johann Polzer, den Bassisten Dieter Fischer und last not least Tilmann Jäger, an seiner Seite zu haben, trugen zum überwältigenden Erfolg dieses Abends entscheidend bei.
Bernd Epple