Jogi Nestel und Klaus Küting im Sindelfinger SMTT

Jogi Nestel und Klaus Küting
Jogi Nestel und Klaus Küting

Jogi Nestel (siehe im Bericht)
Klaus Küting
(siehe im Bericht)

Sindelfingen, 29.11.2024

Schlag auf Schlag ins Rhythmusparadies

Ein außergewöhnliches Trommelspektakel hatte die Sindelfinger Schule für Musik, Theater und Tanz (SMTT) am Freitagabend auf dem Programm. Die Schlagzeuger Jogi Nestel und Klaus Küting präsentierten ein buntes Sammelsurium an Schlagwerk

Dass man unter Schlagzeug nicht nur ein Drum-Set zu verstehen hat, wie man es bei fast allen Bands sieht, wurde umgehend augenscheinlich, als der Blick in den Odeon-Veranstaltungsraum der SMTT fiel. Auf der Arena-Bühne befanden sich gut und gerne hundert bespielbare Trommel-Objekte, kleinste Tonerzeuger mit eingerechnet. Das gut besetzte Odeon erlebte den Auftakt des Klangspektakels, indem die Besucher die Köpfe drehen mussten, um die Protagonisten wahrzunehmen. Diese erschienen, auf einer afrikanischen Djembé trommelnd, aus dem Foyer, die Stufen hinabschreitend mit Zielrichtung Spielwiese. Auf dieser tummelten sie sich hernach rund zwei Stunden und sorgten für ein Feuerwerk an rhythmischer und klanglicher Vielfalt. Nach dem Djembé Intro begab sich Nestel nahtlos hinter sein Drum-Kit und Trommelpartner Küting ans Marimbaphon. Dem 4 1/3 Oktaven umfassenden wuchtigen Instrument entlockte der Schlagzeuglehrer der Musikschule Böblingen furiose Phrasen, mal mit zwei, oder auch mit vier Schlägeln; während Nestel sein Instrument vorerst mit zwei Stroh-Handbesen bearbeitete. Nach dem Konzert verriet er, dass er diese vor Jahren auf dem Wochenmarkt erstanden hätte und ihm kein anderer Schlagzeuger bekannt wäre, der die Trommeln und Becken seines Schlagzeugs damit erklingen lässt.

Jogi Nestel und Klaus Küting
Jogi Nestel und Klaus Küting

Die beiden Schlagwerker sprühen vor Kreativität

Womit man schon zur Besonderheit dieses Abends gelangt: Die beiden Schlagwerker sprühen vor Kreativität, oder wie es eine Besucherin zusammenfasste: „Die beiden Könner wirkten gelegentlich wie zwei kleine Jungs, die unheimlich gerne ausprobieren, sich allerlei Streiche ausdenken und einfach nur Freude am Zusammenspiel haben.“. Küting bespielte zudem einige außergewöhnliche Instrumente. Zum Beispiel das Waterphone, das mit Wasser befüllt und einem Bogen, Schlägel, den Fingern oder mit einem Stück Draht zum Klingen gebracht, an Wal-Gesänge erinnert. Genauso spannend klingt die Ballastsaite, ein zirka ein Meter langer Kupferstab, der an einer Cembalosaite hängt, die vom Gewicht des Klangkörpers gespannt wird und an einer Trommelmembran befestigt ist. Alleine diese beiden Instrumente sorgten für ungewohnte Hörgenüsse; hinzu gesellten sich Nestels Steelpans. Sie bestehen aus konkav getriebenem Feinblech in Form eines runden Metall-Resonanzkörpers, in das Tonfelder getrieben werden, um Töne zu erzeugen. Diesem Instrument aus der Karibik hat sich Nestel so sehr verschrieben, dass er es inzwischen an der SMTT unterrichtet; mit dem Ziel dort eine Steelband zu etablieren. In der gesamten Republik ist Sindelfingen die einzige Musikschule, die Steeldrum-Unterricht anbietet, nicht zuletzt ein Grund weshalb Nestel im vorletzten Jahr von der Böblinger Musikschule zur SMTT wechselte.

Jogi Nestel und Klaus Küting
Jogi Nestel und Klaus Küting

Sie schrecken vor nichts zurück

In der gemeinsamen Böblinger Zeit entwickelte sich sie Freundschaft der beiden Schlagzeuger und seit rund 20 Jahren sind sie immer wieder gemeinsam auf der Bühne, um ihre Kreativität auszuleben und sie mit begeisterten Konzertbesuchern zu teilen. Dabei schrecken sie vor nichts zurück, was Instrumentarium und Klänge anbetrifft. „Escalierende Multikompliziertheiten„, ein frei improvisiertes Stück, bediente sich diverser Klang-Instrumente, von Gongs über Bass-Steel-Pans bis hin zu Waterphone und Ballastsaite. Selbst ein Betonmischer kann nicht nur Beton mischen, sondern bietet „rund 80 verschiedene Klangmöglichkeiten“, wie die beiden, den Schalk im Nacken, betonten. Vor der Pause wurde ein solcher auf die Bühne gerollt, um von allen Seiten betrommelt zu werden. „Giselle und Alfonso auf der Baustelle„, nach den Quitschetierchen benannt, die auch mitspielen durften, sorgte für großartige Stimmung.

Jogi Nestel und Klaus Küting
Jogi Nestel und Klaus Küting

Stilistisch war das Gehörte kaum in die Schablone eines Genres zu pressen

Dass Nestel und Küting auch ernst können, zeigten sie zum Beispiel bei „El Chimborazo„, einem latin-karibisch anmutenden Werk Nestels, bei dem sich Marimba und Steel Pan mit wechselnden Soli wunderbar die Bälle zuspielten. „A little Prayer“ (Choral eines unbekannten Komponisten) reihte sich meditativ auf dieser Schiene ein. Weitere Höhepunkte waren die Begleitung eines elfminütigen Schwarzweiß-Stummfilmes, sowie das Finale mit „Danse de Fummelé„, wo zu guter Letzt auch Congas, Bongos, Timbales, Pauke und große Trommel die Hauptrolle spielen durften. Stilistisch war der Abend kaum in die Schablone eines Genres zu pressen. Das Duo ist in Jazz, Weltmusik, Klassik und experimenteller Musik gleichermaßen zuhause. Dem Publikum gefiel das ausgesprochen gut und so quittierte es die Performance mit anhaltendem und donnerndem Applaus. Küting und Nestel bedankten sich ihrerseits mit „Down The Road“ (Trad. Karibik), einem Steel-Pan- und Marimba-Stück, als Zugabe.

Bernd Epple

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