Kimura / Guy / Hemingway
Kulturzentrum Dieselstrasse Esslingen am 5.12.2019
Izumi Kimura, piano
Barry Guy, bass
Gerry Hemingway, drums
Am 5.12.2019 im Esslinger Kulturzentrum ist das Izumi-Kumira-Trio gesetzt: Eine dem Autor bis dato unbekannte Formation. Contemporary Music, improvisierte Musik, Free Jazz kann man lesen: Wir werden sehen.
Das Set-up auf der Bühne im schönen Kulturzentrum Dieselstraße in Esslingen wirkt erst einmal gewöhnlich: ein Flügel, ein Kontrabass, ein Drumkit. Das Arsenal an allerhand Gerätschaften zur Linken des Basses löst allerdings schon den Verdacht aus: Hier hat jemand noch einiges vor mit seinem Arbeitsgerät.
Der Einstieg dann ohne Umschweife, es entwickelt sich schnell eine nervöse und hochenergetische gewittrige Dichte. Barry Guy traktiert seinen Bass mit einer zwischen die Saiten geschobenen Mega-Stricknadel und klopft zupft streicht trommelt Flageoletts, Harmonien, Tieftöne, Knarzgeräusche, Kreischen und setzt Finger, Hand, Bogen, Schlagzeugbesen, Filzschlegel ein. Gerry Hemingway lotet die Soundkapazitäten seines Schlagzeugs aus, einen steten Strom von Beats und Crashsounds emittierend, die er u.a. mit auf die Snare aufgelegten Gegenständen wie Becken, Tempelblocks und einem Trompetendämpfer manipuliert. Bisweilen streicht er seine Becken mit einem Geigenbogen. Izumi Kimuras Piano agiert zu Beginn etwas zurückhaltend, tupft tonal vertraute Inseln ins Rauschen um sich dann mit kraftvollen Staccato-Akkorden und Läufen einzubringen. Applaus nach dem ersten Stück aus dem leider nur halb besetzten Zuschauerraum.
Die Musik dieses Trios ist kraftvoll, abstrakt, bisweilen erbarmungslos, extrem vielschichtig und voller gegenläufiger und scheinbar voneinander losgelöster Klangereignisse. Was hört man, was teilt sich mit? Das kosmische Rauschen, die Gravitation, sich teilende Zellen, archaische Landschaften, der Verkehrskollaps in BaWü, der Strom der Gedanken im eigenen Kopf, glühend heiße Mikroprozessoren, Big Data, der Sonnenwind, die ?Sinnlosigkeit des Seins und der Sinn des Ganzen. Vielleicht. Manchmal hat man den Eindruck, all dies spielt sich selbst, von ganz allein, durch die Musiker hindurch. Sollte der Autor jemals Gelegenheit haben, das Sonnensystem zu verlassen, nimmt er diese Musik mit auf die Reise. Versprochen!
Gerry Hemingway stellt die Combo und die Stücke mit einem charmantem Mix aus Deutsch und Englisch vor und wirkt dabei ganz und gar nicht abstrakt, sondern nahbar und bodenständig. Wie man hört, ist dies der erste Auftritt Kimuras in Deutschland überhaupt. Freude bei der Zuhörerschaft.
Das zweite Set gehört zum Beginn ganz der Pianistin, die etwas meditativere Töne hören lässt, bis Bassist und Schlagwerker wieder einsetzen und die Musik in eine hochenergetische, fordernde Wellenbewegung treiben. Dies ist Heavy Listening. Band und Publikum indes sind vertrauter miteinander, der Applaus kommt selbstverständlicher, wärmer. Bei der Ansage zum letzten Stück (How to walk into a room you are already in) bedankt sich Gerry Hemingway beim Publikum dann auch für die Konzentration, die es dem Trio gewährt hat.
Zwei Zugaben gibt das Trio noch. Dann entlassen sie das Publikum in die kalte Freitagabendnacht.