Lisa Wilhelm Quartett im SWR Studio Tübingen 2022
Lisa Wilhelm (dr, comp)
Lukas Wögler (tsax)
Moritz Langmaier (p)
Franz Blumenthal (b)
Tübingen, 6.12.2022
Traummusik, die hellwach macht
Es gibt weder den Power – Opener noch ein spektakuläres Auftreten, aber Lisa Wilhelm und ihr Quartett brauchen das auch nicht. Sie bestechen vom ersten Ton an durch ihren ganz eigenen Grundsound mit vielen klanglichen Facetten auf ihren Instrumenten und durch ihre offene und einladende Ausstrahlung. Da ist am Anfang eben dieser eine Ostinato Ton auf dem Flügel als Grundpuls; Franz Blumenthal am Bass steigt mit wunderbar vollen, warmen Tönen ein, fast unmerklich entwickelt sich ein Motiv, entfaltet sich nach und nach ein Thema, und eben das, was die Musik von Lisa Wilhelm und diesem Quartett eigentlich ausmacht: Ein sehr aufmerksames, waches Zusammenspiel, Raum für jede*n in der Band, eine organische Abfolge von Soloparts und Ensemblespiel, unaufdringlich aber umso überzeugender arrangiert und `dirigiert` von Bandleaderin Lisa Wilhelm, die auch die meisten Stück komponiert hat.
Filigran – austariertes Schlagzeugspiel der Bandleaderin
Die Musik fließt. Stetig und ständig. Und sie strahlt gleichzeitig Ruhe und Bewegung aus. Manchmal schafft Moritz Langmaier am Bösendorfer Klangflächen, über denen sich Lukas Wöglers Saxofon mal heiser, mal lyrisch, mal in Bebop – Manier bewegt, dann wieder hört und sieht man sich fasziniert fest am filigranen, austarierten Spiel von Lisa Wilhelm selbst, einer bemerkenswerten Bandleaderin, die sich in keiner Phase des Konzerts in den Vordergrund spielt. Melodisch und rund der Sound und das Spiel von Franz Blumenthal, dessen Basslinien sowas wie die Versöhnung mit der Welt ausstrahlen. Und damit das alles nicht zu getragen daherkommt, dafür sorgen Lisa Wilhelms manchmal trocken – humorige Ansagen; auch die Titel ihrer Stücke, die fast alle Zitate aus Filmen sind, die ihr irgendwann wichtig waren. Aber die Titel sagt sie, seien gar nicht so wichtig, wichtig sei, dass die Jungs – und da lacht sie zur Band rüber – ihre Musik spielten. Diese Band, dieses Quartett spielt jetzt seit gut zwei Jahren zusammen, alle kennen sich vom Studium an der Stuttgarter Musikhochschule, ihre erste CD – Titel: `Potpourri` soll im Februar erscheinen.
Marlene Dietrich im Radiostudio
Die Konzerte, die der Tübinger Jazzclub seit über zwanzig Jahren regelmäßig im SWR – Studio veranstaltet haben einen ganz eigenen Charakter. Sie sind – wenn man so will – so was wie unplugged und extra dry. Es gibt keine Beschallung, keinen Hall, nur den ‚nackten‚, ‚puren‚ Sound und Publikum, das den Musiker*innen buchstäblich auf die Finger sehen kann; und auf der anderen Seite der Scheibe das Pult für die Aufnahme. Lisa Wilhelm und ihr Quartett kamen gut an in dieser fast schon intimen Atmosphäre, sie verstanden es den Raum auszufüllen und zu beleben. Ziemlich gegen Schluss präsentierten sie eine Art `Auftragsproduktion` des Senders, der den jungen Bands aus dem Umfeld der Hochschulen des Landes die Interpretation eines Schlagers auferlegt. Sehr elegant fügte sich da Lisa Wilhelms Version von Marlene Dietrichs `Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre` ein in die Setlist des Quartetts. Und eigentlich hätte man ewig weiter wachträumen können in diesem Flow und mit diesen wunderbar zusammenspielenden jungen Klangflusskünstler*innen.
Tom Hagenauer
Portraits von Lisa Wilhelm
Portraits von Moritz Langmaier
Portraits von Lukas Wögler