Konzerte

Mandala Movie im Sudhaus Theatersaal Tübingen 2024

Didi Holzner – Tasten
Heiner Highner Reiff – Gitarre, Vibes
KoMa Panke – Gitarre, Percussion
Michael Stoll – Bässe, Flöten
Uli Wagner – Drums, Percussion
Jürgen Kost – Percussion

Alfred Bast – multimediale Improvisation

Tübingen, 13.1.2025

Selten war Jetzt so nah

Verheißungsvoll glimmende Kontrollleuchten an Verstärkern und Effektgeräten. Ein breit ausgebreiteter Instrumentenparcours wie aus einem Katalog der Wünsche. Glänzende Gitarren, Keyboards, e-Vibrafon, Schlagzeug und eine Unzahl von Rasseln, Trommeln, Hölzern und Metallen, rötlichbraun schimmernd ein Kontrabass, e-Bässe, Flöten für unterschiedliche Tonlagen. Freundschaftliche Begrüßungen, viele Musiker und Besucher*innen kennen sich.  Wiedersehensfreude, gute Wünsche für ein neues Jahr. Wenn die Band Mandala Movie Anfang Januar ins den Sudhaus – Theatersaal einlädt, freuen sich die ‘Eingeweihten’ wie auf eine Art vertrauten Live – Hör-Film mit immer offenem Ausgang. Bei ‘Neulingen’ überwiegen’ Neugier und Spannung – noch dazu, wenn die Band mit den Begriffen ‘Total Improvisation Kraut Space’ lockt. Entspannt und humorig begrüßt Heiner Reiff, einer der Gitarristen, das Publikum: „…und wenn Ihr euch fragt – wir haben so wenig Ahnung wie Ihr, was hier jetzt passiert…“ aber natürlich ist klar, dass man sich auf mindestens genussreiche Überraschungen einstellen kann.

Keine Stücke, keine Songs – zwei Sets

Wie immer gibt es auch in diesem Jahr – und eigentlich nie bei Mandala – so was wie ‘Stücke’, Songs oder Tracks. Die einzige ‘grobe’ Strukturierung des Abends: Es wird zwei Sets geben. Hier und heute, an diesem Abend beginnt Schlagzeuger Uli Wagner mit dunklen fast dumpfen Schlägen. Zur bass drum kommen Glöckchen, vollerer Glockenklang, Becken, die anderen Instrumente gesellen sich dazu. Töne und Motive werden wie Ideen und Angebote in den Raum entlassen, als Spielmaterial, das sich so nach und nach in eine recht rockige Improvisation entwickelt, ein flow mit Gitarren, Keyboard – Splittern und dem federnden Bass von Michel Stoll,. Und so ‘funktioniert’ Mandala Movie: In den Anfangsbeat haben sich – fast unbemerkt – andere Rhythmen und Sounds gemischt. Die Musik hat jetzt was jazzig – swingendes bekommen, und Didi Holzner hat sich mit seinen Tasten und einem spacigen Fender Rhodes Sound aufgemacht, die Wolkendecke zu durchstoßen. Didi Holzner, der ‘von Hause aus’ eigentlich eher Gitarrist war (hat damals von 1979 bis 86 bei Schwoißfuaß eine heiße Gitarre gespielt) ist seit einigen Jahren fast ausschließlich auf Tasteninstrumenten unterwegs. Hängt sicher auch damit zusammen, dass er zusammen mit anderen damals in den späteren 80ern als eine Art Ausgleichsprogramm zum Schwoißfuaß – Rock – Zirkus in freiere Gefilde aufbrechen, was anderes auszuprobieren wollte. Das war auch der ‘Gründungsimpuls’ von Mandala Movie: die üblichen Songstrukturen und Genregrenzen aufzubrechen. Der 1999 verstorbene André Schnisa, Bassist und Keyboarder und Komponist spielte dabei eine ganz wichtige Rolle. Aus der heutige Ur–Formation steuert auch heute noch Konrad Panke seine psychedelisch, verzerrte Fuzz – Gitarre zu Mandala bei.

Intuitiv, spontan und kommunikativ

Mandala Movie hatte sich nach ein paar wenigen Live – Auftritten in der Anfangszeit als Session – Formation weitgehend von der Bühne verabschiedet. Regelmäßig treffen sich die Musiker – bis heute – im Keller – Studio von Didi Holzner, und nein, sie proben nicht, sie spielen. Zusammen.  Und was sie spielen, folgt seit Beginn diesem Konzept, eben kein ausgearbeitetes Konzept, keine Stücke oder Vorgaben zu haben. Dafür: Intuitiv, spontan, kommunikativ, aufmerksam mal aktiv, manchmal eher im Hintergrund, immer wieder mit neue Sounds, neuen Rhythmen, ungeraden Takten. Viele der Sessions werden mitgeschnitten, manchmal auch ‘portioniert’ eher provisorisch ediert, manchmal auch produziert und als CDs in kleiner Auflage weitergegeben. Inzwischen hat die Band einen ganz beachtlichen Freundeskreis, der sich bei den wenigen Konzerten wie eben zum Beispiel Anfang Januar im Sudhaus trifft.

Fast alle Mandala Movie – Mitspieler haben eine Rock – Vergangenheit. Da war diese Schwoißfuaß – Zeit, Michel Stoll hat in Rock – Jazz im Umfeld des ‘Schneeball’ – Labels gespielt, Heiner Reiff war der ‘Giro Combo’, der Thomie Bayer Band und ist seit vielen Jahr mit dem schwäbischen Duo Ernst und Heinrich erfolgreich. Die Mandala-Movie-Musiker spielen immer gemeinsam. So sehr jeder immer wieder im jeweils eigenen Klangkosmos versunken scheint, sind dennoch immer die Antennen auf Empfang. Das, was da bei und mit ihnen passiert, hat Bassist Michel Stoll mal versucht, mit einer Art Gruppen – Jonglage zu beschreiben. „Immer wieder werfen wir unsere Bälle in die Luft, und manchmal fängt ihn jemand auf, lässt ihn kreisen, spielt ihn weiter…“ und schön ist, um im Bild zu bleiben, wenn nach und nach alle beteiligt sind. Dann spielt die Band zusammen, entwickelt einen gemeinsamen Groove, der weiterführt, es entstehen neue Motive, neue Muster. Und das sind – wie der Bandname nahelegt – Muster und Ornamente wie Mandalas die sich ständig in Farben und Formen aus sich selbst weiterentwickeln, sich verändern und neu schaffen.

Total Improvisation Kraut Space

Wieder zurück auf die Theatersaal-Bühne im Sudhaus. Bassist Michel Stoll ist nicht nur ein unermüdlicher Groove-Motor auf seinem manchmal funkigen, dann wieder weichen und runden  e – Bass oder er entlockt seinem Kontrabass wunderbare  langgezogene Melodiebögen oder wechselt zur Flöte. Heiner Reiff stellt die Gitarre immer mal wieder ab und spielt auf einem eleganten elektronischen Vibrafon weiter. Dabei entstehen ständig neue, andere, überraschende Sounds. Eine fließende Collage mit organisch eingesetzten Effekten wie Echo, Hall, Loops aber immer wieder auch mit dem Blick und dem Ohr auf die anderen Mitspieler.

Wer will kann in der Musik von Mandala Movie Einflüsse von Zawinul, Zappa oder Miles Davis vor allem aus der ‘electric – Zeit’ entdecken. Der langjährige Percussion Spieler Jürgen Kost bringt mit seinem sensiblen Spiel klassische indische oder afrikanische Rhythmen in die Band, dann gibt´s völlig freie Passagen oder Erinnerungen an die Krautrock – Pioniere. (Michel Stoll spielt bis heute immer wieder in der Band ‘Faust’) Mandalas, Metamorphosen und Mäander, das sich die fluiden Strukturen in dieser Musik, die einen inneren Zusammenhang schafft und große Bögen beschreibt.

Musik mit Live – Malerei und All – Wein

Dazu kommt bei diesem Konzert auch noch eine visuelle Ebene. Der I-Pad – Maler Alfred Bast aus Abtsgmünd schafft synchron zur Musik auf seinem Zeichen-Pad farbige Linien, Flächen uns Strukturen, die als eine Art Live – Film zur Musik live auf zwei großen Bildschirmen abläuft. Diese solchermaßen umfassende genreübergreifende multimediale Improvisation spielt zusammen mit den feinsinnig gestalteten Weinkanistern (‘All’- Wein) an der Wand augenzwinkernd auf die Acid-Tests Mitte der 60er – Jahre in San Francisco an. Damals hatte der Schriftsteller Ken Kesey zusammen mit der legendären Band Grateful Dead und bei freiem LSD – Konsum zu legendären Sessions eingeladen. Bei Mandala Movie gibts als Treibstoff ein Gläschen Roten oder Weißen, und zwei volle Sets mit spannungsreicher, genussvoller Reisemusik. Musik, die sich an keine Vorgaben und Genres halten will und muss, die hoch&feinelektrisch gleichzeitig lebendig, live, analog und kommunikativ ist. Wer’s groß will könnte sagen, bei diesem Konzert gibts diese seltene Momente, in denen sich Zeitlosigkeit und die Magie des Augenblicks treffen. Oder: Selten war Jetzt so Nah.

Tom Hagenauer

Portraits von Didi Holzner, Heiner ‚Highner‘ Reiff, KoMa Panke, Michael Stoll, Uli Wagner, Jürgen Kost