Maria Farantouri Ensemble beim Jazzfestival Esslingen 2023
Maria Farantouri, voice
Henning Schmiedt, piano
Heracles Zakkas, bouzouki
David Lynch, saxophone, flute
Michael Porfyris, violoncello
Thanassis Voutsas, voice
Esslingen, 20.10.2023
Die Hohepriesterin des griechischen Gesangs und der Appell an die Menschlichkeit
Gut 45 Jahre ist es nun schon her, seit der griechische Komponist Mikis Theodorakis zusammen mit seinem Orchester und der damals 32-jährigen Sängerin Maria Farantouri regelrechte musikalische Freiheitsfeste im Beethovensaal der Liederhalle Stuttgart feierte. Schon damals nannte Theodorakis die junge Sängerin auf Grund ihrer fast sakralen Stimme eine „Priesterin“, deren Stimme ein Geschenk der olympischen Götter sei. Europäische Musikkritiker bezeichneten sie gar als Joan Baez des Mittelmeers.
Nun kehrte die inzwischen 77-jährige Sängerin ins Schwabenland zurück. Im Rahmen des diesjährigen Jazzfestivals gastierte sie mit ihrem Ensemble in der Stadtkirche Esslingen. Das Ambiente konnte besser kaum sein, um dieser nach wie vor kraftvollen sakralen Stimme zu lauschen, die in vielen Momenten in der Lage ist, ein Gefühl der Göttlichkeit zu vermitteln. An ihrer Seite ein Quartett von hoher musikalischer Qualität, bestehend aus Klavier, Cello, Bouzouki und Saxofon/Querflöte. Ebenfalls präsent, wie bei nahezu allen Konzerten in diesem Jahr, war der griechische Tenor Thanasis Voutsos, der mit seiner samtenen Stimme die von ihm dargebotenen heimischen Musikstücke gleichermaßen filigran, wie ausdrucksstark präsentierte.
Farantouri nimmt ebenso wie Theodorakis in der griechischen Musik eine Vorrangstellung ein und gilt als DIE Interpretin seiner Stücke, seit er sie 1963 als 16-jährige entdeckte. Der Durchbruch in ihrer künstlerischen Karriere gelang ihr 1965, als sie die von Theodorakis komponierte, 4 Lieder umfassende Mauthausen-Kantate, mit ihrer damals schon eindrucksvollen Stimme interpretierte. Als sie 1967 nach dem Militärputsch Griechenland verließ, sah sie es als ihre Aufgabe, die Lieder des inzwischen inhaftierten Theodorakis in hunderten von Konzerten in die Welt zu tragen, um gegen dieses Unrechtsregime in ihrer Heimat ihre Stimme zu erheben. Der Komponist versorgte Maria aus seiner Gefangenschaft heraus mit seinen Kompositionen, die sie international verbreitete und somit wurden die beiden zum Symbol des politischen Widerstandes gegen das faschistische Regime in ihrem Land.
Freiheit und politischer Widerstand gegen totalitäre Regime
Dass die Griechen dieses politische Engagement niemals vergessen, konnte man an diesem Konzertabend in der Stadtkirche regelrecht fühlen, als bei den Liedern aus dieser Zeit der Applaus der zahlreich anwesenden Landsleute nahezu frenetisch war. Besonders in den 1970er bis 1980er Jahren spielten Farantouri und Theodorakis in musikalischer Art und Weise tragende Rollen bei den politischen Verwicklungen dieser Zeit. Viele der vorgetragenen Lieder enthalten historische, politische sowie zutiefst menschliche Botschaften, die um Freiheit und politischen Widerstand gegen totalitäre Regime kreisen und Verbrechen anprangern. Das Bedeutsame an all diesen Botschaften ist, dass die Texte im Grunde nichts anderes erreichen wollen, als Trost und Hoffnung in Zeiten der Not zu spenden. Auch der Zuhörer, der der griechischen Sprache nicht mächtig war, konnte diese Leidenschaft und Inbrunst spüren, die Farantouris Interpretation dieser bewegenden Stücke verbreitete. Die Gänsehaut, die sich an diesem Abend auf manch einer Haut verbreitete, war nicht nur unbedingt auf die etwas kühlen Temperaturen in der Stadtkirche zurückzuführen.
Man fühlte auch deutlich, dass die Musik des 2021 verstorbenen Komponisten nichts von ihrer Magie verloren hat, es scheint fast so, dass der Komponist, wenn Farantouri ihre Stimme erhebt, anwesend ist. Mit ihrem Gesang erreicht die warmherzige und engagierte Sängerin mühelos die Herzen der Menschen in aller Welt. Diese zeitlose strahlende Präsenz Farantouris und dieses musikalisch hervorragende Ensemble entließ das das Publikum nach knapp 2 Stunden hochintensivem Konzertgenuss in die Nacht, mit dem Gefühl einen musikhistorischen Abend erlebt zu haben.
Harald Kümmel
Portraits von Maria Farantouri