Meshell Ndegeocello bei der jazzopen Stuttgart 2024
Meshell Ndegeocello – bass, vocals
Kyle Miles – bass, vocals
Justin Hicks – vocals, autoharp
Chris Bruce – guitar
Jebin Bruni – keys
Abe Rounds – drums, vocals
Stuttgart, 21.7.2024
Jazz in eigenwilliger Ausprägung
Die US-Sängerin, Songwriterin und Bassistin Meshell Ndegeocello lässt sich in keine Schublade stecken – den Besuchern gefällt’s
Bei den 30. Jazz Open in Stuttgart fällt Ndegeocello bereits mit einer unkonventionellen Besetzung auf. Bass ³ mit der Protagonistin selbst, dem E-Bassisten Kyle Miles und dem Keyboarder Jebin Bruni, der einen kleinen Bass-Synthie auf seinen Keys thronen hat. Neben Ndegeocello nimmt Vokalist Justin Hicks auf einem Barhocker Platz; Mikros auch bei Schlagzeuger Abe Rounds und Miles. Optisch sticht zunächst Gitarrist Chris Bruce ins Auge. Bekleidet mit kariertem Sarong, auffälligem Hut und türkis lackierten Fingernägeln, die alsbald in die Saiten seiner Fender greifen sollten.
Im Innenhof des Alten Schlosses macht sich zunächst einmal ein basslastiger Mulmsound breit. Ist das Grunge, Punk, Soul oder am Ende doch Jazz, was einem da ins Ohr wabert? Auf jeden Fall bleibt dem Publikum die Freude der Musiker an der Elektronik nicht verborgen. Manches klingt vage, undefiniert, minimalistisch und düster. Absicht? Die Texte von Ndegeocello könnten Auskunft geben; die aber versteht nicht jeder. Weil er der englischen Sprache nicht mächtig ist oder weil der Mann am Mischpult nicht seinen besten Tag hat? Sei’s drum – zum Glück ändert sich das mit zunehmender Spieldauer zum Positiven.
Bald tanzen auch ein paar Besucher neben den Stuhlreihen und es werden soulige Elemente im „Sex Machine“-Stil oder klar durchschaubare Harmoniefolgen erkennbar. Der Aufforderung Ndegeocellos, aufzustehen und mit zu klatschen kommt der Rest dann auch gerne nach. Bassspielend und singend ist die textende Ndegeocello nicht immer an vorderster Front. Das erledigen meist ihre „Sangesknaben“. „Chaos is how the things get new“, erklärt die Sängerin mit der sonoren Stimme und bei „Chaos“ erschließt sich endlich auch, warum Hicks an ihrer Seite sitzt. Schwebend und lyrisch tastet er sich stimmlich an das chaotische Seelenleben heran und lässt seinen vokalen Ausdrucksmöglichkeiten freien Lauf. Mit gewaltigem Tonumfang zeigt er Stimmqualitäten, die bis zu diesem Zeitpunkt leider verborgen blieben.
Als Mary Johnson wird die charismatische Musikerin geboren und sie änderte im Erwachsenenalter ihren Namen zu Ndegeocello, was in Swahili „Frei wie ein Vogel“ bedeutet. Nomen est Omen, auch in ihrer Musik. Die Frau am Bass sei eine wunderbar kreative, aber erschreckend unbequeme Person, die provokante Texte liefere, heißt es im Magazin zum Festival. Auf diesem Hintergrund kann man das Dargebotene mit anderen Augen betrachten. Das passt in keine Genre-Schublade – soll es vermutlich auch nicht. Eher darf man den Auftritt als Gesamtkunstwerk betrachten, das am Ende anerkennenden Applaus erhält.
Bernd Epple
Übersicht unserer Berichte von der jazzopen 2024