Mnozil Brass in der Kongresshalle Böblingen 2024
Böblingen, 21.9.2024
150 Jahre Stadtkapelle Böblingen trifft auf 30 Jahre Mnozil Brass
Die Blechbläser-Kultband aus Wien machte auf ihrer Europa-Tournee Zwischenstopp in Böblingen. Die Besucher in der Kongresshalle feierten über zwei Stunden ein Ensemble, das Einzigartiges auf die Bühne bringt
Mit der international renommierten Formation Mnozil Brass und deren Jubelei-Programm ist der Stadtkapelle Böblingen zum Hundertfünfziger der große Wurf gelungen. Soviel sei vorausgeschickt. Fabian Strauch, der stellvertretende Vorsitzende der Stadtkapelle wollte zur Begrüßung denn auch nicht viele Worte verlieren, ahnte er doch, dass jede Sekunde Mnozil Brass mehr wiegen würde, als jeder Satz einer Anmoderation. Bereits beim legendären „Big Sounds“-Festival gab sich Mnozil Brass vor rund 10 Jahren die Ehre. Schon damals tobte der Europasaal und es sollte am Samstagabend nicht anders kommen. Eine Melange aus Blechblasmusik (Brass) der Genres Jazz, Pop, Schlager und Traditionell bis hin zur Klassik, sowie Comedy, Pantomime, komödiantische Einlagen und „Leibesübungen“ war zu erwarten. Die sieben Herren haben weder Ansagen noch Verstärkungselektronik nötig. Sie sind einfach wie sie sind: Unvergleichlich!
Da saß jeder Ton, ob geblasen oder gesungen
Volkstümliches mit á capella-Gesangseinlagen vom Feinsten eröffneten den bunten Reigen des Abends. Da saß jeder Ton, ob geblasen oder gesungen – und das mit einer bestechenden Dynamik! Soundcollagen, jazzige Licks und punktgenaue Breaks folgten, neoklassische Elemente ließen an Strawinsky erinnern. Drei Trompeten, drei Posaunen und eine Tuba sorgten für einen voluminösen Klangkörper, aber auch feinere Klänge in reduzierten Besetzungen ließen das Publikum im vollbesetzten Saal den Atem anhalten. Mnozil Brass glänzte mit spannenden Bearbeitungen von Welthits wie „The Final Countdown“ (Europe) oder „Highway To Hell“ (ACDC), gepickt mit musikkabarettistischen Einlagen wie „Headbanging“ oder auch mit Anklängen an die Swing-Ära á la Duke Ellington. „Summertime“ (Gershwin) ließ viel Platz für solistische Glanzleistungen, wie zum Beispiel das polyphone Posaunenspiel von Leonhard Paul.
Stilistisch wurde nahezu kein Genre ausgelassen. Ein Blechblas-Flamenco, mit tänzerischen Pirouetten versehen, sorgte für größte Erheiterung. Tosender Beifall auch für John Miles‘ „Music“. Gegen Ende des Programmes griff Mnozil Brass dann in die „Traditionskiste“ und zelebrierte den Marsch, wie ihn die sieben Herren aus Wien bereits in der Jugend bei ihren Blasmusik-Kapellen gelernt hatten, bevor sie allesamt später ihre Musikhochschul-Ausbildung antraten – natürlich nicht ohne diesen komödiantisch zu garnieren. Die modifizierte Polka „Rosamunde“ war dann bestens zum Mitsingen des „Besucher-Chores“ geeignet. Dieser ließ dann auch lautstark seiner guten Laune freien Lauf. Jazzige Grooves bestimmten den Anfang der Zugaben – Reihe und schließlich kam noch das, auf was so mancher Insider gewartet haben dürfte: „Lonely Boy“, die Paradenummer des Protagonisten Leonhard Paul.
Lonely Boy
Alleine und gelangweilt saß dieser auf der Bühne, zog sich in Slow Motion-Manier Schuhe und Socken aus und saugte genüsslich den Duft seines Fußschweißes ein. Tubist Wilfried Brandstötter spielt am Bühnenrand eine Basslinie, die Posaunisten Zoltán Kiss und Gerhard Füßl flankieren Paul, der zwischen seinen Zehen deren Posaunenzüge bedient und im weiteren Verlauf auch noch die Trompetenventile von Thomas Gansch und Robert Rother bearbeitet. Paul spielt quasi vierstimmig, während die Kollegen lediglich ihre Puste zur Verfügung stellen. Zur Krönung zieht ihm Trompeter Roman Rindberger noch den Stuhl unterm Hintern weg. Die Halle tobte und der Beifall wollte nicht enden! Nach Konzertende steht Besucher Ralf Selbmann mit seiner Frau und verklärtem Gesichtsausdruck an einem Stehtisch im Foyer. „Das waren Großmeister der Polyphonie mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks!“, schwärmt er. „Die sieben Magier aus Wien spielten mit den Genres, begleitet von komödiantischer Pantomime mit einer fast unerträglichen Lässigkeit. Dabei zerschmetterten sie meinen Irrglauben, dass ich mein Instrument, die Gitarre, beherrschen würde!“, fügt er voller Bewunderung lächelnd hinzu. Zusammenfassend darf konstatiert werden: Wer jemals die Gelegenheit bekommt, diese Crew live zu erleben, wird händeringend nach Superlativen suchen, um Unbeschreibliches zu beschreiben!
Mnozil Brass Geschichte
Mnozil Brass wurde 1992 im Mnozil, einem Wirtshaus im 1.Bezirk Wien gegründet. Anfangs war es lediglich eine lose Musikantenstammtisch-Spielerei von Studenten der Wiener Musikhochschule. Die Liebe zum Komödiantentum, und die Begeisterung der Wirtshausgäste war der Antrieb, mehr daraus zu machen. Ohne die Absicht, berühmt zu werden, wurden es die Musiker dennoch, wohl auch aufgrund des Alleinstellungsmerkmales dieses Genre-Mix‘, sowie des blinden Verständnisses innerhalb der Formation. Lediglich vier Besetzungswechsel gab es in den vergangenen 32 Jahren. Inzwischen wurden zahlreiche Tonträger und DVDs veröffentlicht und Tourneen durch die ganze Welt sorgten für internationale Reputation.
Text und Fotos Bernd Epple
Unser Beitrag zu Mnozil Brass bei der jazzopen Stuttgart 2019