Nduduzo Makhathini Trio – Omnyama – im Sudhaus Tübingen 2023
Nduduzo Makhathini, piano
Zwelakhe-Duma Bell le Pere, bass
Francisco Mela, drums
Tübingen, 20.5.2023
Tief in Afrika
Ziemlich genau in der Mitte des zweiten Sets erklomm Nduduzo Makhathini mit seiner Band traumhafte Höhen. Die drei Musiker sind im Lauf des Konzerts zu einer Einheit zusammengewachsen, in der die Jazz – üblichen Abläufe und Grenzen zwischen Thema, Solo und Improvisation verschwunden sind. Melodiöse liedhafte Passagen, Clusterartige Akkorde, rasende Bassläufe und völlig freies, gleichzeitig einem inneren Rhythmus folgendes Schlagzeugspiel, alles scheint gleichzeitig stattzufinden, mündet in traumzeitartige Sphären. Da spielt eine Band in einer beeindruckenden und spielerischen Vertrautheit. Blicke gehen hin und her, dieses Trio ist ein hellwacher hochlebendiger Organismus, hochkonzentriert und tief entspannt und in ständiger Kommunikation.
Diese Phase des Konzerts folgte eine der beiden Ansagen, mit denen sich Nduduzo Makhathini an das Sudhaus – Publikum wandte. Der aus Südafrika stammende Pianist, inzwischen auch Hochschullehrer, erklärte, warum er schon seit geraumer Zeit darauf verzichte, Stücke anzusagen, ja überhaupt die Titel der Songs zu nennen. Die Songs, die er spiele, sagte er, veränderten sich nämlich mit der Zeit, gingen eigene Wege. Aber die Songs seien so freundlich, dass sie ihnen, den Musikern, erlaubten, sie zu spielen. Aber deshalb sei`s eben auch schwierig, sie zu benennen, sie gewissermaßen festzuhalten. Die Songs, die Lieder, wandern, lacht er, sind vielleicht die gleichen, die Jahrhunderte vorher – vielleicht in anderem Gewand – schon mit den Sklavenschiffen von der Westküste Afrika nach Amerika gewandert waren. Zu Spirituals, Gospel, Blues und Jazz wurden. Lieder, die aber auch in Afrika geblieben sind, in Südafrika zum Beispiel, wo sie getrennt gesungen wurden, von Müttern, die mit ihren Kindern alleine bleiben mussten, und den Vätern, die weg waren von zuhause, weil sie in den Minen arbeiten mussten.
Quelle der Musik
Neben der Musik sind es auch diese eindrücklichen Worte, mit denen Nduduzo Makhathini das Sudhaus – Publikum dorthin führt, wo der Urquell seiner Musik liegt. Afrika, und die Geschichte dieses Kontinents und seiner Menschen. Dabei seien eben `Land`, also auch Landschaften, sehr wichtig. Land, das denen, die eigentlich dort lebten und leben in der Geschichte des südlichen Afrikas immer wieder genommen wurde, verwehrt blieb, aber eben in der Musik immer weiterlebt.
Während im Kopf Fragezeichen und Gedanken darüber kreisen, wie wenig wir eigentlich wissen über die Geschichte Afrikas und welche globalen Verteilungskämpfe dort bis heute immer wieder neu Leid und Schrecken über Land und Menschen bringt, sitzt Nduduzo Makhathini längst wieder am Klavier, lässt seine Finger über die Tasten gleiten setzt markige Akkorde, singt, ruft, klagt ins Mikrofon und setzt mit seinen beiden Begleitern die mystische Afrikareise fort. Bassist Zwelakhe-Duma Bell le Pere lebt in den USA, hat südafrikanische Wurzeln, Schlagzeuger Francisco Mela kommt aus Kuba, und beide sind nicht etwa Begleitmusiker, mit Nduduzo Makhatini zusammen sind sie eher Entdeckungsreisende oder Abenteurer, die ständig Neues erkunden. Und dafür ist diese Trio – Besetzung ideal. Spontanität und Aufeinander – Eingehen ist da direkter und unmittelbarer möglich ist als in größeren Besetzungen und komplexeren Arrangements.
Die Musik der Band entwickelt sich manchmal aus einer kurzen Tonfolge, aus einem Melodiefragment. Es entstehen Klangflächen, fast impressionistische Landschaftsgemälde, oder abstrakte, mit Kohlestrichen markierte Akkordfolgen und komplexe rhythmische Gebilde. Die Band in gemeinsamer, kollektiver Improvisation. Ein eindrückliches Bild gegen Ende des ersten Sets: Bass und Schlagzeug haben sich in einen tranceartigen Groove gespielt, Nduduzo Makhatini steht auf, und beginnt im Bühnenhintergrund mit weitausladenden Bewegungen zu tanzen. Beine, Arme, der ganze Körper im Fluss der Musik. In einer online – Biografie wird er mit dem Satz zitiert: “As someone who started playing jazz very late, I had always been looking for a kind of playing that could mirror or evoke the way my people danced, sung and spoke…“
Und schön, die Geste ganz zum Schluss, als Zugabe: Spätestens jetzt, lacht Makhatini in den Sudhaussaal, spätestens jetzt sollte die Trennlinie zwischen dem Publikum und den Performern verschwunden sein. Was in Kenia und Zimbabwe funktioniert, sollte doch auch hier klappen, meinte der (Klang-) Magier aus Südafrika… Und dann haben wir gemeinsam gesungen, haben`s zumindest versucht…
Tom Hagenauer
Portraits von Nduduzo Makhathini
Portraits von Zwelakhe-Duma Bell le Pere folgen
Portraits von Francisco Mela folgen