Pablo Held Trio im Pappelgarten Reutlingen 2023
Pablo Held, piano
Robert Landfermann, bass
Jonas Burgwinkel, drums
Reutlingen, 13.9.2023
Flinkfingrige Klangkaskaden
Kantiges Spiel, flinke Finger: Beim ersten Jazzkonzert nach den jazzfreien Sommermonaten präsentierte der Verein „TheMu“ in Tobias Festls Pappelgarten das Pablo Held Trio. Der 36-jährige Pianist und seine beiden Mitspieler sorgten für einen fulminanten Auftakt in die Herbstsaison.
Bereits mit vier Jahren bekam er seinen ersten Schlagzeugunterricht, mit zehn Jahren wechselte er zum Klavier und begann mit 18 Jahren sein Jazzklavierstudium in Köln. Inzwischen gilt Pablo Held als Aushängeschild einer jungen Generation von Jazzmusikern aus Deutschland, die sich mit ihrem souveränen Zugriff auf die unterschiedlichsten Spielarten zeitgenössischer Musik zwischen Jazz und Klassik, zwischen Komposition und Improvisation eine enorme Freiheit erspielt haben. Auch dass er sich seit 16 Jahren dem Klaviertrio verschrieben hat, ist kein Zufall. Es ist eine der reinsten Formen des Jazz. Dass der Pianist aus Herdecke auch über die Jazzszene hinaus bekannt werden konnte, liegt aber vor allem daran, dass er die Reste der Geschichte so gut zusammenflickt, dass sie wie eine neue, zweite Oberfläche wirken.
Mit ihren subtilen Zwiegesprächen, minimalistischen Andeutungen sowie nahtlosen und improvisierten Übergängen haben Pianist Pablo Held, Bassist Robert Landfermann und Drummer Jonas Burgwinkel keine Mühe, die Besucher im Pappelgarten zu erreichen, obwohl die Übergänge zwischen den Stücken fließend sind und dem Publikum kaum Gelegenheit zum Zwischenapplaus geben. Tatsächlich geht das Trio bei ihren Konzerten auf die Bühne, ohne vorher genau zu wissen, welche Arrangements sie an diesem Abend spielen: „Etwas von unserer neuen Platte ist dabei“, begrüßt Pablo Held das Publikum und schon stürzt sich das Trio in ausgeklügelte Improvisationen, die sich ohne Pause bis zum Ende des Konzerts hinziehen.
Dabei spielt der junge Pianokünstler mit der ruhigen Selbstverständlichkeit eines Routiniers, mit feinsinnigem Anschlag und einem ausgeprägten Sinn für minimalistische Klänge. Er ist eindeutig der Kopf der Band, der Mann, der die Stücke schreibt und das Jazztrio vom Klavier aus lenkt. Beeindruckend, wie er immer wieder mit seinem subtilen Spiel die Zwiegespräche erdet. Robert Landfermann, der einen unkonventionellen Kontrabass spielt, ist dagegen ein Meister der leichten Bassläufe. Bei Drummer Jonas Burgwinkel fasziniert nicht nur die Beckenarbeit, auch seine eingestreuten Soli machen Staunen.
Was die Drei spielen, das ist improvisierter, kammermusikalischer Jazz, der sich an klassischen Vorgaben orientiert, aber auch all das kann, was den zeitgenössischen europäische Jazz prägt: Melodiöse und swingende Themen gibt es wenige, dafür eigensinnige kleine Verweigerungen, die sich zu waghalsigen Stücken verdichten. Keineswegs leichte Kost ist das, die ihre melancholischen und introvertierten Momente hat, um dann flugs wieder die Zügel anzuziehen. Ein klassisches Pianotrio wollen sie ohnehin nicht sein. Viel lieber entwickeln sie aus Melodiefragmenten und knappen Skizzen von Piano, Bass oder Schlagwerk komplexe Improvisationen.
Die Eigenkompositionen von Pablo Held erheben nicht den Anspruch, stilistisch konsequent zu bleiben, werden vielmehr durch eine persönliche Ausdrucksfähigkeit ergänzt. Für die Besucher bietet das 90-minütige Konzert die Möglichkeit, sich von Traditionellem zu lösen und dabei zu erleben, dass etwas Neues, auch wenn es einem viel Konzentration abverlangt, in erster Linie auch Abenteuer bedeutet.
Jürgen Spieß
Portraits von Pablo Held
Portraits von Robert Landfermann
Portraits von Jonas Burgwinkel