Patrick Bebelaar and Friends – Raga – beim Landesjazzfestival Tübingen 2024
Patrick Bebelaar – piano
Frank Kroll – sax
Pandit Vikash Maharaj – sarod
Pandit Prabash Maharaj – tabla
Abhishek Maharaj – voc
Vishat Maharaj – voc
Tübingen, 12. Mai 2024
Über-RAGA-nde Melange zweier Welten
Patrick Bebelaars Formation „Raga“ setzte ein musikalisches Ausrufezeichen beim Tübinger Landesjazzfestival und verzauberte das Publikum
Jazz und Indische Klassik. Nicht wirklich neu – zum Beispiel hat sich bereits der inzwischen verstorbene Saxophonist Charlie Mariano über viele Jahre seines Wirkens damit beschäftigt. Auch für Patrick Bebelaar ist diese Melange kein Neuland. Im Jahre 2002 veröffentlichte er im Rahmen eines Kompositionsauftrages die CD „Point Of View“, just mit nahezu denselben Musikern, die nun im SWT-Kulturwerk in Tübingen wieder zusammenfanden. Neu erscheint jedoch, dass sich immer mehr Ohren diesen mainstreamabgewandten Klängen zu öffnen scheinen. So auch im Kulturwerk geschehen, das aus allen Nähten platze. Dem Festival-Slogan „Beyond Boarders“ wurde diese „Raga/Jazz“-Formation in besonderem Maße gerecht. Das begann schon mal mit der „Stimmungsmusik“ zu Beginn. Üblicherweise nicht der Einstieg in verschiedene Kompositionen. „Ich kann Ihnen schon mal Trost zusprechen; der Flügel ist gestimmt!“, bemerkte Bebelaar in seiner charmant knitzen Art. Die Tablas werden jedoch tatsächlich mit einem Hämmerchen tonartgerecht „in Stimmung“ gebracht.
Bei der ersten Nummer des Abends „First Black“ ist es die erste schwarze Klaviertaste in der chromatischen C-Skala: Cis. Mit meditativen Klängen wurden die Besucher zunächst sanft in andere Welten entführt. Danach klärte Tablameister Prabash Maharaj über die gesundheitsfördernde Wirkung der Musik auf: „The only medicine, which has no side effects!“ Fürwahr, wenn man am Ende des Konzertes in die Gesichter der Besucher blickte, konnte man seltsam Entspanntes und Verklärtes entdecken.
Sich hineinfallen lassen
Was hatte das deutsche Duo mit dem indischen Quartett zu bieten? Meditatives „Sich hineinfallen lassen“ genau so wie ekstatische Momente, bei denen die Körperzuckungen mancher fast außer Kontrolle gerieten. Über die Qualitäten der Landesjazzpreisträger Kroll und Bebelaar muss hier kaum noch gesprochen werden. Die sind in der Jazzszene bestens bekannt. Als Duo zeichnet sie ein Spiel aus, bei dem die unsichtbaren Fäden ihrer Verbindung tief unter die Haut gehen. Dasselbe gilt auch für Sarod-Meister Pandit Vikash Maharaj, den allein schon eine indisch geprägte familiäre Zusammengehörigkeit mit seinen drei Söhnen Abhishek (voc), Vishat (voc) und Prabash (Tabla) verbindet. Aufgrund einer Unfallverletzung musste Abhishek, mit Sitar angekündigt, sein Instrument zuhause lassen. Dennoch schlug er sich mit Bruder Vishat auch vokal hervorragend, sodass der Sitar-Ausfall singend kompensiert werden konnte. Pandit gehört mit seiner Sarod (nordindische Langhalslaute) zu den wichtigsten Musikern der indischen Klassik und teilte die Bühne bereits mit Jazzikonen wie Jan Garbarek, Herbie Hancock oder John McLaughlin.
Ein nicht enden wollender Beifall
Zusammen führte das „Raga“- Sextett gleichsam wie auf einem fliegenden Teppich in höhere Sphären. Auf dem Weg feine Soli, die eins zu eins in die Klanglandschaften hinein strahlten. Szenenbeifall vor allem für den rhythmischen Tabla-Antrieb, der es schaffte den fliegenden Teppich in immer größere Höhen zu befördern. Die sanfte Landung am Ende genügte dem Publikum noch nicht. Ein nicht enden wollender Beifall lockte die Formation nochmals auf die Bühne zurück. Bei “Conference Of The Birds“ konnte man die Vögel deutlich wahrnehmen. Ein weiteres Mal tauchte Bebelaar tief in die 88 Tasten seines Flügels ein, begleitet vom kreativen Sopransaxophon-Spiel Krolls und den indischen Davonschweb-Klängen. Die anschließend herzlichen Umarmungen auf der Bühne unterstrichen die freundschaftliche Verbundenheit der Musiker, die wohl maßgeblich verantwortlich dafür war, dass das alles mehr als Musik war. „Die Welt ist viel zu klein, als dass man sich auf irgendwelche nationalen Dinge beschränken sollte“ (Patrick Bebelaar).
Bernd Epple
Portraits von Patrick Bebelaar
Portraits von Frank Kroll
Konzertprogramm des Landesjazzfestival Tübingen