Pomelo von Roberto Petroli
Eine saftige Pomelo wird zum Ohren-Schmaus
Die pampelmusen-artige Zitrusfrucht schmeckt nicht nur fein, sondern hört sich, erstmals tonal serviert, auch ausgesprochen betörend und abwechslungsreich an. Petrolis neuestes Werk ist, wie man es von diesem Ausnahme-Klarinettisten/-Saxophonisten kaum anders erwartet, ein musikalischer Leckerbissen. Der ständige Wegbegleiter des bekannten italienischen Cantatore Pippo Pollina setzt auch diesmal wieder auf seine bewährte Besetzung des Roberto Petroli-Trios, mit seiner Frau Stefania Veritá (Cello) und Gianvito Di Maio (Piano, Keyboard). Darüber hinaus sind die Streicherinnen Daria Zappa und Tanja Sonc (Violinen), sowie Ribal Molaeb (Viola) mit von der Partie, die neben solistischen Einlagen zusammen mit Veritá als Streichquartett in Erscheinung treten. Sie verleihen vor allem den tangoartigen Stücken wie „Argentina“ oder „El Tango Loco“ die sanfte, sehnsuchtsvolle oder auch feurige Würze. Kamil Losiewicz (Bass) und Leonardo Guadarrama (Schlagzeug) sorgen für rhythmisch präzisen Schub, während Asia (Coro), die Tochter Petrolis eher im Hintergrund wirkt.
Pomelo ist eine Sammlung von 13 Instrumentalstücken, in denen Klarinette und Saxophone jedoch die absoluten Protagonisten sind. Die rund 50 Minuten Hörgenuss lassen keine Sekunde Langeweile aufkommen; zu schön sind die Arrangements, die gleichsam einer instrumentalen Reise durch mannigfaltige Klangwelten, Genres, Klangfarben und Emotionen verschiedenster Genres miteinander verschmelzen lassen – ein großartiges orchestrales Werk, das zwischen Ethno, Funk, „Easy Going“ mit Pop- und Jazzbezügen, Thema und Variationen pendelt. Petroli lässt sich nicht in stilistische Schubladen packen, weshalb er wohl in der Fachpresse immer noch viel zu wenig Beachtung findet. Charlie Parker war Jazzer, Benny Goodman eine Bigband-Ikone, Sebastian Manz ist Klassiker, aber Petroli ist in erster Linie ein Klangfanatiker; zwar mit großer Liebe zum Jazz, aber geprägt durch seine klassische Klarinettenausbildung, die sich in einer unvergleichlich schönen Intonation niederschlägt.
Die Stimmungen auf diesem Tonträger wechseln von Melancholie („Overture“) zu kraftvoller Frische („Mr. Funk“), von umschmeichelnder Zartheit („Lento“) zu sonnigem Latin-Feeling („Pomelo“) und plötzlich liegt man an einem sonnigen Nachmittag im Liegestuhl („Langsam“). Trotz des unüberhörbaren musikalischen Anspruches, der bei mehrmaligem Anhören immer wieder neue Facetten offenbart, kann „Pomelo“ auch mit einem Easy Listening-Charakter punkten. Also ein Album, das perfekt auf ein breites Publikum zugeschnitten ist, welches sich nicht in Kategorien einordnen lassen will. Lässt Petroli bei Pippo Pollina, ganz im Dienste von dessen Kompositionen, nur gelegentlich seine Klasse aufblitzen, so darf man sich hier ausgiebig in seinen sonnigen Klangbädern suhlen.
Bernd Epple
Portraits von Roberto Petroli