Rebekka Bakken & Friends bei den Internationalen Theaterhaus Jazztagen 2024

Rebekka Bakken & Friends bei den Internationalen Theaterhaus Jazztagen 2024
Rebekka Bakken & Friends bei den Internationalen Theaterhaus Jazztagen 2024

Rebekka Bakken (voc)
Eivind Aarset (git)
Rune Arnesen (dr)
Stein Austrud (keys)
Svein Schultz {b)
David Solheim (sound)
Daniel Sørensen (light)

Stuttgart, 4. April 2024

True North – false Jazz?

Am Gründonnerstag, 4. April brachte Rebekka Bakken alte Freunde zu den 34. Theaterhaus Jazztagen nach Stuttgart mit. Angesagt waren Songs, deren Wurzeln in ihren Kindheits- und Jugendtagen lagen.

Mit TRUE NORTH war das Programm übertitelt, das eigens für die Jazztage konzipiert wurde. Einen tiefen Einblick in die nordische Seele sollte dieses Konzert gewähren. Das ist zweifelsohne gelungen; wer allerdings mit der Erwartungshaltung Jazz kam, wurde vielleicht enttäuscht. Die Norwegerin Rebekka Bakken ist durch und durch Musikerin und pfeift offensichtlich auf Genre-Schubladen. Dem Applaus des Publikums nach jeder Nummer zu urteilen, taten die Besucher das ebenfalls.
Vorhang auf: Bakkens Bandkollegen kommen durch das nebelumwabert spärlich ausgeleuchtete Dunkel der Bühne und nehmen hinter ihren Instrumenten Platz. Zweiakkord-Soundteppich á la Pink Floyd der 70er Jahre und die Protagonistin schreitet zum Mikrophon. Gänsehaut bereits nach der ersten gesungenen Note. Kein Wunder; Dynamik, Präzision, zahlreiche Stimmvarianten, authentische Ausdrucksvielfalt und einen drei Oktaven umfassenden Tonumfang – das ist es, was diese Sängerin ausmacht.

Rebekka Bakken & Friends bei den Internationalen Theaterhaus Jazztagen 2024


Und die Band? Sie scheint sich sowohl in den leisen Noten, als auch im Bombasto-Sound wohlzufühlen. Die Jungs atmen Dynamik, zunächst leise, um schließlich regelrecht zu explodieren. Ob man will oder nicht, die Sounds tragen sphärisch durch die Klanggalaxie – Entkommen unmöglich! – Aber auch von niemandem gewünscht. Aarset benutzt durchweg ein Schwellerpedal für seine Fender, sodass die Klangcollagen wie aus der Ferne auftauchen und der Anzupf-Sound gänzlich entfällt. Austrud verzichtet auf einen Flügel und verwendet ebenfalls nur Elektronik, Schultz‘ E-Bass und Arnesens Drumkit spielen eine dienende Rolle und schaffen den Teppich für Stimme, Keys und Gitarre.

Rebekka Bakken & Friends bei den Internationalen Theaterhaus Jazztagen 2024


Zurück zu Bakken: Man kennt sie als Jazzsängerin, der alle Facetten dieses Genres geläufig sind. Im Theaterhaus besinnt sie sich auf Volkslieder ihrer Heimat oder auf Kirchenlieder, wie sie diese als Kind erlebt hat. Back to the roots sozusagen. Ihre berührende Stimme, voll tragender nordischer Melancholie schwingt sich bisweilen urplötzlich in ekstatische Höhen empor. Und dann wiederum könnte man den Bogen zu einer südjapanischen Gesangstechnik schlagen, die stellenweise an Jodeln oder mongolischen Obertongesang erinnert. Mit ihrer Stimme solo beginnt ein ausgezeichnet bearbeitetes Kirchenlied, in dem es um die Osterpassion geht. Anklänge an gregorianische Klostergesänge und dazu der elektronisch erzeugte Kirchenhall, auch die dazu erscheinenden Keys klingen ein wenig nach Kirchenorgel. Bass und Schlagzeug ergänzen mit Figuren, wie sie die britische New Wave-Band Ultravox in den Achzigern gelegentlich zum Besten gab. Der kreuztragende Christus wird durch wehklagende immer dichter werdende Klänge dargestellt, die tief unter die Haut gehen. Nach dem knapp zweistündigen Konzert ist man ob der Klangdichte fast ein wenig erschlagen und die Zugabe, die Hommage an einen Sufi-Meister, wirkt in ihrer Leichtigkeit dann wieder als Ode an das Leben.

Rebekka Bakken & Friends bei den Internationalen Theaterhaus Jazztagen 2024


Erschöpfte, aber glückliche Musiker und ein ebensolches Publikum dürfen sich am Ende mit Rebekka Bakken über Blumenstrauß und ein spontanes Geburtstagslied zu ihrem Geburtstag freuen. Genau an diesem Tag vor 54 Jahren kam mit ihr eine der großen Jazzsängerin der Neuzeit auf die Welt und erfreut nicht nur mit Jazz, wie im Theaterhaus zu erleben, ein breites Publikum. Jazz ist eben nicht nur ein Musikstil, sondern eine Haltung, die alle Facetten des Lebens und der Musik würdigt.

Fotos und Text Bernd Epple

Portraits von Rebekka Bakken

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