Schaerer, Kalima, Lefebvre im Theaterstübchen Kassel 2023

Andreas Schaerer & Kalle Kalima bei der jazzahead in Bremen 2017
Andreas Schaerer & Kalle Kalima bei der jazzahead in Bremen 2017

Andreas Schaerer, voc
Kalle Kalima, git
Tim Lefebvre, bs

Kassel, 19.11.2023

Kleines Besteck, große Wirkung

Einführend erzählt Schaerer von der Liebe Kalimas und ihm zu Stücken von Pink Floyd oder Joni Mitchell und zum Singer-Songwriter-Genre generell. Und tatsächlich kann man auch hin und wieder progrockige Anklänge hören. Trigger mit seiner markanten  Basslinie und deftigen Akkordfolgen mag den Einen oder die Andere an Pink Floyd erinnern; Rapid Eye Movements, nahezu überirdisch schön gesungen, mit Kalimas silbrigen Flageolett-Tönen, ist auch vorstellbar auf einem ambitionierten Album aus den 70ern. Irgendwie jedenfalls… Interessanterweise findet sich dann auch eine ausführliche Albumbesprechung auf progradar.org (hier nachzulesen). Genügend jazziges gibt´s in dieser Formation aber noch reichlich im Angebot.

Andreas Schaerer singt, oft engelsgleich im Falsett, hymnisch auch, bringt Klicklaute ähnlich der südafrikanischen Khoisan-Sprachen ein, pfeift, beatboxt aberwitzig mit reichlich Verve oder einfach nur begleitend im Hintergrund. Seine Mouthtrumpet-Improvisationen sind raffiniert und stimmig wie die eines Instrumentalisten. Zum titelgebenden Stück Evolution (Text: Essi Kalima) gibt es obendrein noch etwas Philosophie in der Anmoderation. 

Kalle Kalima, Finne und Wahlberliner, wie stets im Anzug, der ihn auf jedem Perserteppich sofort unsichtbar machen würde: Er zeigt, wie verwachsen er mit seinem Instrument ist und was alles so geht auf der elektrisch verstärkten Gitarre. Äusserst wandelbar wechselt er zwischen zarter Begleitung, exquisit jazzigen Soli, angezerrtem Powerspiel und schwebenden Akkordfolgen, selbst der Geigenbogen kommt zum Einsatz. 

Tim Lefebvre wechselt zwischen Kontrabass und Fender Precision. Akustisch weiß er dezent zu begleiten und groovig voranzumarschieren. Elektrisch verstärkt ruft er on top eine irrwitzige Palette von Sounds und Effekten ab, soliert er stark verzerrt mit Rockattitüde, shreddet er mit Verve deftige Akkorde. Das ist oft überraschend und kontextuell immer stimmig. Ohne Zweifel ist der große Kalifornier ein Chamäleon am Bass, der eine Vielzahl von Stilistiken abrufen und einbringen kann.

Der Ménage-à-trois gelingt es bestens, all dies übersprudelnde Talent zu bündeln. Das Publikum erlebt so ein Konzert, das von großer künstlerischer Freiheit und Individualität zeugt. Die Nahbarkeit und Wärme in der Präsentation diese ungewöhnlichen Programms tun ihr Übriges. Erwähnt werden muss nicht zuletzt auch der feine Sound in flimmerhärchenschonender Lautstärke. 

Wolfgang Fricke

Portraits von Andreas Schaerer