Solophonic Peter Fessler bei den Stuttgarter Jazztagen
Peter Fessler bei den 41. Stuttgarter Jazztagen der IG JAZZ im Theaterhaus Stuttgart
Peter Fessler, git, voc
Stuttgart, 29.10.2020
Die 41. Stuttgarter Jazztage starteten mit stilistischen Gegenpolen
Peter Fessler und das Sebastian Gille Quartet an einem Abend. – geht das?
Um es vorwegzunehmen: Das geht! Zumindest hatten die rund 50 Besucher im T3-Saal des Stuttgarter Theaterhauses offene Ohren für recht gegensätzliche Genres. Demzufolge wurde das (ausverkaufte!) Doppel-Konzert auch mit entsprechend viel Beifall quittiert.
Der IG Jazz Vorsitzende Martin Keller moderiert die Veranstaltung mit sarkastischem Unterton an, was die neuen Corona Verordnungen anbetrifft. Bezüglich der Strapazen der Musiker, die teilweise acht Stunden lang im Zug mit Maske anreisen mussten, zog er den Hut. Sowohl Keller, als auch später die Musiker, sprachen aber auch dem Publikum Dank aus, das trotz Maskenpflicht und vermeintlicher Ansteckungsgefahren dem Jazz frönten.
Peter Fessler betritt dann mit Konzertgitarre und Maske versehen die Bühne, zieht sich den Stoff unters Kinn und merkt an, dass dies nun sein viertes Konzert seit Juli sei und sein letztes in diesem Jahr. Der kulturelle Ausnahmezustand ist auch an ihm nicht spurlos vorbei gegangen.
Mit seinem Hit „New York, Rio, Tokyo“ aus dem Jahre 1986 hatte sich Fessler einst ein gutes finanzielles Polster geschaffen. Diese Eintagsfliege aus den 80er- Hit Charts hat allerdings so wenig mit Jazz zu tun, wie ein Kleinwagen mit einer Oberklassenlimousine. Dennoch sind Fessler eher die Attribute einer Edelkarosse zuzuschreiben. Wandlungsfähig blickt er auf eine jahrzehntelange Karriere zurück, in der neben seiner Liebe zur Bossa eben auch Jazz eine Rolle spielt.
Ein Unikat unter den europäischen Jazzsängern
Peter Fessler ist mit seiner Kunst des „instrumentalen Singens“ sogar ein Unikat unter den europäischen Jazzsängern. Mit seiner unverwechselbaren Art, das Jazz-Repertoire neu zu erfinden, hat er eine eigene Sound-Ästhetik entwickelt. Nach seinen spektakulären Duetten mit Al Jarreau in Montreux ist Fessler auch in der internationalen Jazz-Szene zu einem Begriff geworden. Al Jarreau ist immer noch sein großes Vorbild, weshalb er dem „Instrumentalisten der Stimme“ (J.E. Berendt) den „Waltz For Al“ widmet, der kurioserweise im 4er Takt daherkommt. Neben dieser Komposition sind noch rund 9 weitere Stücke aus Fesslers Musiker-Vita zu hören, die entweder von ihm komponiert oder arrangiert sind. Und natürlich ist der Mann nicht nur ein exzellenter kreativer Vokalartist, sondern ebenfalls ein souveräner Gitarrist, dem man mit jedem Riff seine Bossa-Leidenschaft anhört. Darüber hinaus ist er Entertainer, der zu jedem Stück die passende Story bereithält. Neben seinen teils rasend schnellen perkussiven Scats kann Fessler lautmalern, beatboxen; führt seine Stimme in den Bass- Keller oder hält eine Note astrein intoniert eine gefühlte Minute lang. Als Zugabe gibt es dann doch noch das unvermeidliche „Rio, New York, Tokyo“; allerdings in einer aufgemotzten neuen Bossa-Version.
Nach dieser rund einstündigen Show wurde einmal mehr deutlich, dass hier ein viel zu wenig beachteter Vollblutmusiker sein Stelldichein gab.
Bernd Epple
Portrait von Peter Fessler