The Black Saint and The Sinner Lady
Luis Burger (as/cl)
Nico Siebeck (ts/fl)
Khasar Ganbaatar (bs)
Nico Weber (tp)
Lukas Tutert (tp)
Magma-Erdene Batjargal (tb)
Matyas Gergö (tuba)
Bitumen Bold (git)
Marina Schlagintweit (p)
Vincent Rein (b)
Nathan Carruthers (dr)
Reutlingen, 1.7.2021
Hommage an Charles Mingus im Pappelgarten Reutlingen 2021
Die Mingus Big Band aus München eröffnet das „Fruit-Day“-Festival im Pappelgarten
Der Eröffnungsabend des „International Fruit Day Music Festivals“ geriet zu einer eindrucksvollen Demonstration: Die Münchner Mingus Big Band bot den rund 45 Besuchern im Pappelgarten-Saal eine beeindruckende Hommage an den US-Bassisten Charles Mingus. Als Höhepunkt und Uraufführung spielte die elfköpfige Truppe Mingus’ bahnbrechende Suite „The Black Saint And The Sinner Lady“.
Es kann leicht ins Auge gehen, wenn man sich als Instrumentalist an den ganz Großen des Metiers versucht. Zumal, wenn es sich um Charles Mingus und seine fast schon majestätische und in Europa noch nie vorher live aufgeführte Suite „The Black Saint And The Sinner Lady“ aus dem Jahr 1963 handelt. Die elf Jazzstudenten der Münchner Musikhochschule können sich jedoch als würdige Interpreten dieses Meisterwerkes behaupten. Während die ursprüngliche Absicht des markanten US-Bassisten war, mit diesem Album eine Ballettmusik zu schreiben, wird hier unglaublich dicht und dynamisch wie in einem freitonalen Kraftfeld zwischen sieben Bläsern und Kontrabass, zwischen Komposition und Eruption gejazzt. Manches an dieser Suite, die 43 Minuten dauert, wirkt beiläufig, womöglich auch zufällig. Aber bei diesem Konzert hat man in jedem Moment das Gefühl, dahinter steckt ein Plan.
…auch weitere Mingus-Stücke
Es ist ein dralles und höchst komplexes Bild, das die elfköpfige Bigband mit ihren drei Saxofonen, zwei Trompeten, Posaune, Tuba, Piano, Kontrabass, Gitarre und Schlagzeug im Pappelgarten abgibt. Sowohl das erste Set mit der weitestgehend durchkomponierten Suite als auch nach der Pause, als die Münchner Jazzstudenten weitere Mingus-Stücke wie „Open letter to Duke“ oder „Fables Of Faulus“ interpretieren, wirken allesamt kurzweilig und schmissig. Überzeugend in der fragmentarischen Diktion beschreitet die Bigband hier neue Wege klanglicher Synthesen, indem sie Mingus’ unnachahmlichen Stil zwischen Eruption und Zärtlichkeit mit spanischen Flamenco- und Cooljazz-Elementen kombinieren. Mit den diszipliniert geschichteten Arrangements konstruieren die Musiker eine Mischung aus traditionellem Jazz und aktuellen Klangimpulsen.
Die Musiker, die aus der Mongolei, USA, Ungarn, Österreich und Deutschland stammen, balancieren stets auf schmalem Grad, verzichten auf jede Form von Sicherheit. Man hört zu jeder Zeit den Anspruch, sich wieder und wieder neu zu erfinden. Etwa mit knackigen Bläsersätzen in unterschiedlichen Kombinationen, nach denen man auf der Stelle süchtig werden könnte. Die Musiker dröhnen uns nicht zu mit ihrem Gebläse, sondern verschränken kontrolliert und ausgefeilt Tutti und Soli. So auch beim Zugabenstück „Boogie Stop Shuffle“, einem der größten Klassiker von Charles Mingus.
Jürgen Spieß