Triosence im Jazzclub Bix Stuttgart 2024
Bernhard Schüler (p)
Omar Rodriguez Calvo (b)
Tobias Schulte (dr)
Stuttgart, 7. Juni 2024
Der Klang des Nordens aus der „Waschbär-Hauptstadt“
Hätten sie`s gewusst, dass Kassel die Stadt mit der höchster Waschbär-Population pro Quadratkilometer in Europa ist? Daher rührt auch die Bezeichnung „Waschbär-Hauptstadt“, wie Pianist und Kompositeur Bernhard Schüler erzählt, denn just in dieser Stadt wurde sein Piano-Trio Triosence vor 25 Jahren gegründet. Solche interessanten und teilweise sehr humorvollen Geschichten gab es im Laufe des Abends einige, welche die Entstehungsgeschichte bei nahezu jedem Stück erklärte. Auch das sich für die Freundin, die vielleicht nicht ganz so jazzbegeistert ist, sich alle Kompositionen „irgendwie gleich anhören“, sie aber wie bei dem Stück „Tomato Party“ entscheidend an der Namensgebung beteiligt war. Schülers inzwischen verstorbener Onkel Rainer, ein talentierter Maler gestaltete mit seinen Gemälden einige der Plattencover, der zehn Produktionen, die in den letzten 25 Jahren veröffentlicht wurden. Um ihn entsprechend zu würdigen komponierte der Pianist ein etwas melancholischeres Stück. Und so gab es in den nächsten gut 120 Minuten zu jedem Titel eine jeweils ganz individuell Geschichte.
Von Beginn an ein preiswürdiges Trio
Bereits 2001 gewann das Trio den ersten Preis bei „Jugend jazzt“, damit verbunden war die Produktion ihres ersten Albums „First Entchantment“. Es folgten einige Preise, wie z.B. der Ostsee-Jazz-Förderpreis, der Studiopreis des Deutschlandfunks bis hin zu Nominierungen zum Preis der deutschen Schallplattenkritik. Große Erfolge waren auch in Japan und Taiwan zu verzeichnen. In Taiwan wurde Triosence vom Taiwan Taoyuan Cultural Affair Bureau zu einem interkulturellen Projekt eingeladen in dem sie zum 100-jährigen Jubiläum der taiwanesischen Regierung Volkslieder aus Taiwan neu arrangierte und mit 2 bekannten Sängern aus dem Land bei mehreren großen Konzerten präsentierte. Dazu passte auch wieder eine kleine Anekdote, die Schüler zum besten gab, denn die Gebrüder Grimm werden ja bekannterweise mit einem eigenen Museum in Kassel gewürdigt und somit war für die Asiaten klar, diese Trio kommt aus dem Märchenland.
Bernhard Schüler musikalische Karriere begann im Alter von sieben Jahren am Klavier. Seine erste Band gründete er 1995 und in den folgenden Jahren nahm er erfolgreich an „Jugend jazzt“ teil, wo er auf Grund seines Klavierspiels eine Solistenförderung des Deutschen Musikrates erhielt und schließlich im Jahre 2000 den 1. Preis im Solistenwettbewerb gewann. Sein Trio existiert wie bereits erwähnt seit 25 Jahren in wechselnden Besetzungen, was auch erklärt, warum es dieses Jahr die „25 years anniversary tour“ gibt. Bereits 2006 gastierte Triosence, allerdings in einer anderen Besetzung im Bix und Schüler meinte sich zu erinnern, dass der Club damals etwas lockerer gefüllt war.
Seine aktuellen Mitmusiker können auch durchaus auf eine beeindruckende musikalische Vita zurückblicken. Bassist Omar Rodriguez Calvo studierte in den Achtzigern Kontrabass in Havanna und zog 1994 nach Hamburg. Die ersten musikalischen Berührungspunkte in seiner neuen Heimat hatte er mit den Hamburger Symphonikern und der NDR Bigband. In den darauffolgenden Jahren begleitete er Jazzgrößen wie Nils Landgren, Roy Hargrove, Mike Stern oder Ulf Wakenius. Insbesondere als Mitglied des Tingvall Trios wurde er breiteren Kreisen bekann. Das Trio wurde mehrfach mit dem ECHO und fünf Jazz Awards in Gold ausgezeichnet. In den Jahren 2015/16 wurde er als Instrumentalist des Jahres in der Kategorie Kontrabass/E-Bass nominiert. Schlagzeuger Tobias Schulte machte, nach seinem Studium an der Los Angeles Music Academy, sein Hobby zum Beruf. Durch sein variables und musikalisch äußert breites Spektrum, arbeitet er genreübergreifend mit verschiedensten Musikern wie z.B. Johnny Logan, Nils Landgren, Heino oder Limahl zusammen. Zudem gewann er noch den Weltmusikpreis Creole.
Das lyrisch poetische Paradies der musikalischen Lebensfreude
Vom ersten Ton des „Best of 25 years Triosence“ an ist eine klare nordische Komponente in den Jazz-Songs, wie Schüler seine komponierte Stücke nennt, erkennbar. Klar aufgebaut, manchmal sogar etwas poppig. Immer steht eine klare Songstruktur im Vordergrund, über die improvisiert wird, jeder der drei hat hier seine Freiräume und kann seinem improvisatorischen Talent freien Raum lassen. Drummer Tobias Schulte beispielsweise hat eine äußert innovative Art des Schlagzeugspiels entwickelt. Neben dem üblichen Drumset spielt er auf einer Cajon, Djembe und vielerlei anderen seltsamen „Rhythmus-instrumenten“. In einem seiner Solos darf ein Quietscheschweinchen- und Hähnchen herhalten, dass unter seinem Fuß rhythmische wehklagende Laute von sich gibt, während Kollege Schweinchen zwischen die Beckenscheiben des Hi-Hats geklemmt wird. Selten gab es wohl ein humor- und fantasievolleres Schlagzeugspiel im Bix.
Schüler indes verliert sich, total in sich versunken, immer wieder in seinem Klavierspiel, mal schmerzerfüllt, mal leidenschaftlich, dann wieder total entspannt und es ist erkennbar, dass es die Themen sind, die seinen Songs zugrunde liegen, die sein Innerstes berühren und ihn in diese verschiedenen Seins- oder Flowzustände befördern. Das Trio spielt ausschließlich Eigenkompositionen, aber es sind durchaus viele Einflüsse in dieser Mischung aus Jazz, World, Folk und Popmusik erkennbar. Die nordische Komponente, ob jetzt Tingvall, Svenson oder Danielson, der eingängige, lyrische und poetische Klang der skandinavischen Kollegen ist nicht zu überhören. Das neue Album Giulia wurde allerdings im Süden Europas eingespielt und der sardische Trompeter Paolo Fresu ist auf einigen Stücken als Gast zu hören, was der Poesie keinen Abbruch tut, ganz im Gegenteil, es fügt dem Ganzen eine zusätzliche eigenwillige Facette zu.
Der „Demolition-Man“ und sein Geigenbogen
Meist dezent im Hintergrund hält sich Bassist Omar Rodriguez Calvo, der aber durch sein variables Spiel, oft mit dem Geigenbogen, eine unschätzbar wertvolle Basis für diesen vielschichtigen Sound anlegt. Nicht selten zerpflückt Calvo im Vorfeld einer Plattenaufnahme die Kompositionen Schülers komplett und setzt sie dann wieder mit dem Pianisten neu zusammen und es kommt am Ende was ganz anderes dabei heraus, wie Schüler süffisant bei einer seiner „Songeinführungen“ bemerkt. Daher auch der Spitzname „Demolition-Man“. Gemeinsam geht das Trio diesen Abend immer wieder auf eine musikalische Entdeckungsreise. Ausgangspunkt für diese Erkundungen sind Melodien und Hooklines die im Ohr bleiben. Es gibt immer wieder Überraschungen, Abzweigungen, hymnenartig aufsteigende Melodien, die sich über einen vorwärts-treibenden Groove weiterentwickeln, die zum Ausgangspunkt zurückkehren, um sich dort abermals wieder weiter zu entwickeln. Neues wird hier nicht als Bruch empfunden, nein, es entsteht eine logische Soundmelange, die in ihren Klangfarben eine ganz eigene Handschrift entwickelt. Auch wenn alle Kompositionen von Schüler stammen, die Interaktion ist ein zentraler Aspekt eines Trios, was an diesem Abend klar erkenn- und erhörbar ist. Schüler erwähnt auch, dass jeder seine musikalischen Ideen einbringt und so viel mehr neue Dinge entstehen, die mehr Freude am gemeinsamen Spiel entstehen lassen.
Triosence hat es geschafft eine beachtliche Soundfülle zu entwickeln, eine eingängige Musik voller Überraschungen zu spielen, die im Ohr hängen bleibt. Es war ein gelungener zweistündiger Konzertabend im Bix zum Mitwippen, zum melodischen mitsummen, zum Staunen und zum Lächeln und ich denke beim nächsten Auftritt des Trios wird der Club bis zum letzten Platz gefüllt sei.
Harald Kümmel
Portraits von Omar Rodriguez Calvo